Art Wolfe – Die Erde ist sein Zeuge

Königstiger, Bandhavgarh-Nationalpark, Madhya Pradesh, Indien © Art Wolfe / www.artwolfe.com
Königstiger, Bandhavgarh-Nationalpark, Madhya Pradesh, Indien. Ein Tiger überquert eine Lichtung in einem dichten Waldgebiet Zentralindiens. Art Wolfe: „Dies ist eines meiner Lieblingsfotos von Tigern, da es die Eleganz dieser mächtigen Raubkatze zeigt. Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas und die dortige Nachfrage hat viel dazu beigetragen, dass der illegale Handel mit Tigerprodukten blüht und der Bestand der Tiere in ganz Asien bedroht ist.“ © Art Wolfe / www.artwolfe.com

Art Wolfe ist einer der bedeutendsten Natur-Fotografen der Gegenwart. Das Schleswiger Stadtmuseum zeigt vom 3. Juni bis zum 30.Oktober 2016 die weltweit erste Retrospektive des Amerikaners unter dem Titel „Die Erde ist mein Zeuge“. Ähnlich wie Unterwasserfotograf David Doubilet verbindet Wolfe das Erlebnis Natur mit dem Zauber der Fotografie. Das Schleswig-Holstein Journal, das Magazin des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages, stellt in einer von mir verfassten Serie die besten Fotos von Art Wolfe vor. Mein Auftaktbeitrag erschien am 7. Mai 2016 auf den Seiten 18 und 19 des Magazins:

Art Wolfe – kann man als Fotograf und Künstler einen klangvolleren Namen haben? Dieser ist kein Pseudonym: Arthur Richard Wolfe, so der vollständige Name, wurde 1951 in Seattle geboren. Als Sohn professioneller Künstler in der Stadt an der Pazifikküste aufgewachsen, waren der Fantasie und dem Freiheitsdrang des jungen Art kaum Grenzen gesetzt. Er verbrachte seine Stunden bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit im Freien, inmitten einer Küstenlandschaft, die in ihm die Begeisterung für die Farben, die Strukturen der Natur und die vier Elementen mit ihren Naturgewalten wachrief. „Sein Leben“, schrieb ein Biograph über Art Wolfe, „ist seither von der Liebe zu den Wundern der Schönheit und der Freundschaft, zur Lebendigkeit und Menschlichkeit geprägt.“

Ähnlich wie bei seinen Kollegen Jim Brandenburg und David Doubilet wurde Art Wolfe schon in jungen Jahren nicht nur vom Erlebnis Natur, sondern auch vom Zauber der Fotografie gepackt. „Eines Tages“, erinnerte er sich in einem Interview, „nahm ich an einer Kanutour teil. Ich hatte meine erste Kamera dabei, eine Kodak Brownie Fiesta. Plötzlich sahen wir einen Elch, der im Wasser stand und Pflanzen abrupfte. Ich hatte Angst, aber zugleich war ich neugierig. Schließlich kamen wir ihm zu nahe, der Elch sprang unter lautem Protest aus dem Wasser – und ich machte meine ersten Fotos von einem Wildtier in Bewegung. Von da an wusste ich, worin meine Lebensaufgabe bestehen würde: die Natur in Bildern einzufangen.“ Sicherlich hatte er die Kreativität von seinen Eltern geerbt. Doch die Kunst der Komposition und den Einsatz der Farbe lernte er in seinem Studium der bildenden Künste an der University of Washington, übrigens mit dem Nebenfach Anthropologie. Inspiriert von großen Fotografen wie Ernst Haas und Eliot Porter, schulte er seinen Blick für die Wunder der Natur und deren Interpretation in unvergänglichen Lichtbildern. Der Erfolg kam schnell: Schon mit Ende zwanzig war er im Auftrag von National Geographic unterwegs – der Beginn einer wohl beispiellosen Karriere in der Naturfotografie. Inzwischen hat Art Wolfe 99 Bildbände veröffentlicht, unzählige Geschichten für Zeitschriften geliefert und an vielen Fernsehproduktionen mitgewirkt. Heute sehen wir in Ausstellung des Stadtmuseums Schleswig – weltweit erstmalig – die Quintessenz seines fantastischen fotografischen Lebenswerks: Earth is My Witness. Die Erde ist mein Zeuge. Art Wolfe at his best!

Gibt es ein Rezept, das die eindringliche, oftmals magische Wirkung seiner Bilder von Tieren, Landschaften und Menschen entschlüsselt? Was sind die Geheimnisse seiner Arbeiten? Nun, Art Wolfe hat auf diese Fragen sehr offen geantwortet. „Ein Bild im Voraus zu visualisieren, ist ein Aspekt meiner Fotografie“, erklärte er. „Viele meiner Aufnahmen entstehen aber auch spontan. Ich mag diese ehrlichen Momente und den Adrenalinschub beim Fotografieren überraschender Momente. Aber ich mag auch die konzeptuelle Seite der Fotografie, die ich mit meiner Zeit als Maler in Verbindung bringe. Man hat eine Vorstellung von der Aufnahme und setzt sie dann um.“

Art Wolfe – einer der großen Naturfotografen unserer Zeit

Ist diese Selbstäußerung schon der Schlüssel für das „Making of“ eines so herausragenden Lebenswerkes? Ich denke nicht. Henri Cartier-Bresson sagte einmal: „Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.“ Seit der Erfindung der Fotografie sind rund 3,5 Billionen Fotos gemacht worden. Heute entstehen alle zwei Minuten so viele Aufnahmen wie in den ersten 75 Jahren der Fotografie insgesamt. Um sich in dieser Bilderflut abzuheben, braucht es mehr als nur Kreativität, braucht es mehr als handwerkliche Perfektion, kurze Reaktionszeit und konzeptionelles Denken. Gefragt ist vielmehr die Fähigkeit, Bilder zu machen, die so noch niemand fotografiert hat. Genau in dieser visuellen Intelligenz liegt nach meiner Einschätzung der Schlüssel für die Faszinationskraft des Werkes von Art Wolfe. Hinlänglich bekannten Motiven, die schon etliche Male abgelichtet und publiziert wurden, gewinnt er durch eine ungewöhnliche Perspektive, oftmals von oben oder bodennah von unten, eine neue Dimension ab. Durch eine raffinierte Lichtführung, ob mit Gegenlicht oder durch die Kombination von Restlicht und dosiertem Blitz, entstehen neue Wahrnehmungsebenen. In all diesen fotografischen Genres beweist Art Wolfe seine Meisterschaft: in der Unterwasserfotografie, bei Landschaften, in der Tierwelt, bei Porträts und der Luftbildfotografie.

Dass wir in Schleswig Art Wolfes Retrospektive in Zusammenarbeit mit unserem Partner, der städtischen Galerie Iserlohn, weltweit erstmalig präsentieren dürfen, ist für uns die Krönung unserer bisherigen gemeinsamen vielbeachteten Ausstellungsproduktionen mit den Werken großer Fotografen der Gegenwart: Steve McCurry 2008/2009, Jim Brandenburg 2011/2012 und David Doubilet 2014.

 

Meine Fotografien als FineArt-Prints bestellen – hier geht’s zum Online-Shop: shop.holger-ruedel.de