Faszination Seeadler

Ein Seeadler frisst am Köderplatz in der Feldberger Seenlandschaft, umringt von Kolkraben, Nebelkrähen und Elstern.
Ein Seeadler frisst am Köderplatz in der Feldberger Seenlandschaft, umringt von Kolkraben, Nebelkrähen und Elstern. © Holger Rüdel

Anfang November in der Feldberger Seenlandschaft. Seit Stunden sitze ich in einem perfekt getarnten Ansitz und hoffe auf fotografische Beute: Seeadler und Bussarde. Die Chancen stehen – zumindest theoretisch – gut, denn in diesem abgelegenen Teil Mecklenburg-Vorpommerns ist die Greifvogeldichte so hoch wie in kaum einer anderen Region Deutschlands. Aber es ist trübe und regnet in Strömen. Werden die Tiere den frisch ausgelegten Köder, ein überfahrenes Reh, trotzdem von weitem erkennen?

Keine Seeadler und Bussarde am Morgen

Fred Bollmann, der lokale Guide und Greifvogelexperte, hatte mir Hoffnung gemacht, denn bei seiner Einweisung am frühen Morgen wurden die Felder rund um den Ansitz gepflügt. „Viele Fotografen denken, das schreckt die Vögel ab. Aber das Gegenteil ist der Fall“, erklärte er. „Beim Pflügen werden zum Beispiel viele Mäuse und andere Kleinsäuger aufgescheucht. Das sehen die Raubvögel und entdecken so irgendwann auch unser Luder.“ 

Tatsächlich erschienen schon nach kurzer Zeit etliche Elstern, Nebelkrähen, Aaskrähen und Kolkraben, um sich an dem Reh satt zu fressen. Sie waren wahrscheinlich, wie Fred Bollmann vermutete, durch die landwirtschaftlichen Aktivitäten angelockt worden. Aber Bussarde und Seeadler? Fehlanzeige an diesem Morgen. 

Ein Seeadler frisst am Köderplatz in der Feldberger Seenlandschaft, umringt von Kolkraben, Nebelkrähen und Elstern.
Seeadler ganz groß: am Köderplatz in der Feldberger Seenlandschaft, umringt von Kolkraben, Nebelkrähen und Elstern. © Holger Rüdel

Tierfotografie – eine Herausforderung

Die Tierfotografie ist eine der anstrengendsten und aufwendigsten Arten der Motivjagd mit Kamera und Objektiv. Du schleppst teure Geräte durch Wald, Feld und Flur, die locker 20 Kilo auf die Waage bringen und an Rücken, Schulter und Hals zerren. Und du verbringst für ein einzelnes Projekt oft Tage, vielleicht Wochen in Hitze, Kälte oder Nässe – je nach Jahreszeit.

Aber alles Ungemach ist vergessen, wenn der eine Moment eintrifft, auf den du so lange gewartet hast: Wenn das Tier, dem du mit großer Hartnäckigkeit nachstellst, plötzlich im Sucher deiner Kamera auftaucht. 

Ein Seeadler frisst am Köderplatz in der Feldberger Seenlandschaft, umringt von Kolkraben, Nebelkrähen und Elstern.
Der „König der Lüfte“ als „König am Köderplatz“ in der Feldberger Seenlandschaft © Holger Rüdel

Endlich: Der Adler ist gelandet

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, ging mir durch den Kopf, als sich gegen 13:00 Uhr immer noch kein Greifvogel am Köderplatz in der Feldmark nahe des Breiten Luzins gezeigt hatte. Ich wusste aber auch, dass die Chancen aufgrund der frühen Dämmerung von Minute zu Minute schwanden. Sollte das stundenlange Warten im Ansitz fruchtlos gewesen sein? 

Als ich 20 Minuten später wieder routinemäßig durch den Sucher meiner Nikon D850 blickte, sah ich, wie sich plötzlich ein großes bräunliches Wesen langsam aus dem Hintergrund näherte und schließlich in ganzer Größe im Schärfenbereich des AF-S NIKKOR 500 mm 1:4E FL ED VR auftauchte: ein mächtiger ausgewachsener Seeadler mit einer Körpergröße von geschätzt fast einem Meter und einer Flügelspannweite von über zwei Metern. Angesichts seiner respekteinflößenden Erscheinung avancierte der „König der Lüfte“ hier zum „König am Köderplatz“, denn die Rabenvögel wichen sofort zur Seite und ließen den Seeadler ungestört fressen. 

 

Ganze acht Minuten dauerte das faszinierende Schauspiel, bei dem ich diesem prächtigen Greifvogel in einer Entfernung von 24 Metern Auge in Auge begegnete. Und das späte Fotoglück auf meiner Seite hatte.

Für die Unterstützung bei diesem Wildlife-Projekt danke ich dem Team von Nikon Professional Services (NPS) in Düsseldorf.

 

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