Irving Penn im C/O Berlin

Ein Plakat mit dem Porträt von Pablo Picasso vor dem C/O Berlin wirbt für einen Besuch der Irving-Penn-Retrospektive.
Ein Plakat mit dem Porträt von Pablo Picasso vor dem C/O Berlin wirbt für einen Besuch der Irving-Penn-Retrospektive. © Holger Rüdel

Vor 18 Jahren gegründet, hat sich das C/O Berlin zu einem der weltweit führenden Ausstellungshäuser für Fotografie und neue Medien entwickelt. Mit dem aktuellen Projekt „Irving Penn. Centennial – Der Jahrhundertfotograf“ krönt das C/O Berlin seine Präsentationen der Fotokunst des 20. und 21. Jahrhunderts.

Irving Penn – ein Ausnahmefotograf 

Irving Penn (1917-2009) war der wohl einflussreichste Lichtbildner der neueren Zeit. Nahezu über 70 Jahre, von den frühen 1940er Jahren bis kurz vor seinem Tod, prägte der  US-Amerikaner mit seiner unverwechselbaren Handschrift die Genres der Akt-, Mode-, Stillleben- und Porträtfotografie. Seine streng reduzierte Ästhetik und seine Kunst der Komposition wurden zum Vorbild für unzählige nachfolgende professionelle Fotografen. Und seine Porträts von Prominenten, vor allem von Pablo Picasso, Marlene Dietrich und Alfred Hitchcock, zu Ikonen des 20. Jahrhunderts für ein Massenpublikum. Viele seiner Arbeiten waren Auftragsproduktionen für das Modemagazin Vogue. Allein über 160 Titelbilder tragen seinen Namen. 

Tourneeorte: New York, Paris, Berlin und São Paulo

Die Berliner Irving-Penn-Schau ist die erste große Retrospektive dieses Ausnahmefotografen. Die 240 Bilder umfassende Werkschau wurde vom Metropolitan Museum of Art in Zusammenarbeit mit der Irving Penn Foundation zusammengestellt und zuerst in New York gezeigt. Danach wanderte die Ausstellung nach Paris. São Paulo ist der abschließende Tourneeort – und davor das C/O Berlin der einzige Schauplatz auf deutschem Boden für dieses „Jahrhundertprojekt“.

„Darauf sind wir sehr stolz“, betont das Team des Ausstellungshauses, das seit 2014 im Amerika-Haus in der Hardenbergstraße residiert, nur einen Steinwurf vom Bahnhof Zoologischer Garten entfernt. Diese Freude ist verständlich, denn natürlich hätte man sich die üppig bestückte Retrospektive auch gut etwa in Hamburg im Haus der Photographie in den räumlich großzügigeren Deichtorhallen vorstellen können.

Erschöpfende Werkschau mit zwei Ausnahmen

Es ist den New Yorker Kuratoren der Retrospektive gelungen, das vielschichtige Gesamtwerk Irving Penns in einer Auswahl abzubilden, die nahezu alle Facetten seines umfangreichen Œuvres eindrucksvoll dokumentiert: von den bekannten Porträtstudien, glamourösen Modeinszenierungen, opulenten Stillleben-Arrangements und frühen Aktfotografien bis hin zu den ethnographischen Porträts, freien Projekten wie der Zigaretten-Serie von 1972 sowie seinen Experimenten mit verschiedenen Print-Techniken.

Es erschließt sich allerdings nicht, warum zwar im Katalog (Schirmer/Mosel, 372 Seiten, 68 EUR) ausführlich auf Irving Penns Werbefotos für ein breites Spektrum US-amerikanischer Konsumgüter eingegangen wird, dieser durchaus spannende Aspekt seines kommerziellen Schaffens in der Ausstellung selbst allerdings kaum zu sehen ist. Auch seine Tätigkeit als Lehrmeister – als Dozent für Fotografie an einer Fernschule – wird weder im Katalog noch in der Ausstellung erwähnt: Zusammen mit neun Kollegen, darunter Größen wie Richard Avedon, Alfred Eisenstaedt, Philippe Halsman und Bert Stern, gründete Penn 1964 die Famous Photographers School. Diese mit einer Dependance seinerzeit auch in Europa vertretene Fernschule ermöglichte mit professionellem Unterrichtsmaterial und persönlicher Begleitung durch die Dozenten eine Ausbildung, an deren Ende ein berufsqualifizierender Abschluss stehen konnte. 

Diese kleinen Randbemerkungen können das Ausstellungserlebnis allerdings keinesfalls schmälern. Die Irving-Penn-Retrospektive ist sicher das wichtigste Highlight in der deutschen Fotoszene dieses Jahres. Auch der weiteste Weg ins C/O Berlin lohnt sich. Dort ist die Ausstellung bis zum 1. Juli 2018 zu sehen.

 

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