Jim Brandenburg – Looking for the Summer

Jim Brandenburg mit Infrarot-Kamera in Haithabu bei Schleswig © Holger Rüdel
Jim Brandenburg in Aktion mit seiner Infrarot-Kamera im Juni 2011 in Haithabu bei Schleswig nach dem Start seiner weltweit ersten Retrospektive im Schleswiger Stadtmuseum © Holger Rüdel

Das Jahr 1994 bildete einen Wendepunkt im Leben und Werk von Jim Brandenburg. Zunächst als rein privates Projekt geplant, tauchte der schon damals weltbekannte Tier- und Naturfotograf für 90 Tage in die Wildnis seiner Heimat im Norden des US-Bundesstaates Minnesota ein. Sein Antrieb war die Suche nach neuer Orientierung und frischer Motivation. Zu sehr hatten ihn die vielen großen weltumspannenden Reportagen für Magazine wie National Geographic strapaziert und von seiner eigentlichen Berufung abgehalten, den Geheimnissen wilder, verborgener Tiere und unentdeckter Naturschätze mit der Kamera auf die Spur zu kommen. Sein 90-Tage-Projekt ging unter dem Titel „Chased by the Light“ in die Fotogeschichte ein und wurde durch zahlreiche Veröffentlichungen auch publizistisch ein riesiger Erfolg. Diese positiven Reaktionen überraschten Jim  Brandenburg und motivierten ihn zugleich. Und so fühlte er sich verpflichtet, an „Chased by the Light“ anzuknüpfen. 2001 war es soweit: Brandenburg brach erneut für 90 Tage auf in die Natur – aber jetzt nicht im frühen Herbst wie 1994, sondern am Tag der Sonnenwende, dem 21. Juni.

Im Rausch der Farben: Das Projekt „Looking for the Summer“

Ihm ging es also darum, eine andere Jahreszeit und andere Stimmungen festzuhalten: die Explosionen der Farben und Formen im Sommer, der in den riesigen Weiten der Northwoods Minnesotas, dem Gebiet der tiefen Wälder und Tausenden Seen, besonders intensiv, farbmächtig und mit dramatischen Kontrasten verläuft. Und noch etwas hatte sich in seinem Konzept geändert: Während er sich bei „Chased by the Light“ eine extreme Selbstdisziplin auferlegte und pro Tag nur ein einziges Foto aufnahm, agierte er bei „Looking for the Summer“ – diesen Titel entnahm er übrigens einem Song von Chris Rea – ohne diese Selbstkasteiung.

Es kam hinzu, dass er sich technisch auf ganz neuem Terrain bewegte: Erstmals fotografierte er digital. Nikon hatte ihm die neueste digitale Spiegelreflexkamera zur Verfügung gestellt. Jim Brandenburg nutzte die revolutionären Möglichkeiten des digitalen Aufnahmegerätes experimentierfreudig und kreativ, wobei er oft mit Farben und Formen bis hin zur Abstraktion spielte. Die Leser des National Geographic Magazine, die die Ergebnisse von „Looking for the Summer“ als erste zu sehen bekamen, reagierten unterschiedlich. Einige waren begeistert über den „neuen“ Brandenburg, andere wiederum äußerten sich irritiert über die teilweise Abkehr des Fotografen von seiner bisherigen traditionellen Sehweise.

Unabhängig von diesen kontroversen Einschätzungen war Jim Brandenburgs „Looking for the Summer“ ein Meilenstein in der Fotogeschichte: Zum ersten Mal weltweit entstand ein derart umfassendes Langzeitprojekt in der Natur auf rein digitaler Basis, und erstmals in seiner Geschichte veröffentlichte das bis dahin fotografisch ausschließlich analog orientierte National Geographic Magazine im Juni 2003 eine vollständige Strecke mit rein digital entstandenen Motiven.

Dieser Beitrag wurde am 25. Juni 2011 veröffentlicht in: Schleswig-Holstein Journal, Magazin des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages, S. 14.

 

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