Test: Das Sigma 1,4/35 mm Art an der Nikon D800

Roter Fingerhut © Holger Rüdel
Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) an einem Wanderweg in Selk bei Schleswig, aufgenommen mit einer Nikon D800 und dem Sigma 1,4/35 mm DG HSM Art bei Blende 1,4. © Holger Rüdel

Dem Sigma 1,4/35 mm aus der „Art“-Serie des japanischen Objektivherstellers eilt der Ruf voraus als eine der weltbesten hochlichtstarken Festbrennweiten im gemäßigten Weitwinkelbereich. Dank der Unterstützung durch die Firma Foto-Guth in Kappeln hatte ich die Gelegenheit, das Objektiv an meiner Nikon D800 bei Outdooreinsätzen zu testen. Vorweg: Dabei ging es nicht darum, die Tauglichkeit des Lichtriesen an dem hochsensiblen Pixelboliden von Nikon zu prüfen – diese Fähigkeit ist längst erwiesen – , sondern die Möglichkeiten und Grenzen des Objektivs bei offener Blende unter die Lupe zu nehmen und die Anmutungsqualität der Aufnahmen „live und in Farbe“ in Augenschein zu nehmen.

Tolles Bokeh

Unter Anmutungsqualität verstehe ich in diesem Fall, wie die Linse die scharfen Elemente von den unscharfen trennt und ästhetisch ansprechend darstellt. Hier kommt der aus dem Japanischen stammende Begriff „Bokeh“ ins Spiel, der verwendet wird, um die Qualität der Unschärfe bei fotografischen Abbildungen zu charakterisieren. Unschärfe als Qualitätsmerkmal? Ja, denn: „Scharf allein ist nicht schön: Räumlich wirken Fotos erst, wenn Schärfe und Unschärfe sich abwechseln“, wie es ein Experte im Fachmagazin „Docma“ kürzlich formulierte. „Gutes Bokeh beruht auf einer recht extremen Unschärfe“, erklärte er weiter. „Ist die Unschärfe nicht ausgeprägt genug, so sieht sie nicht ‚gewollt‘ aus. Auch zu kleine Zerstreuungskreise (helle Scheibchen um die Glanzlichter) sehen nicht gut aus und wirken eher wie ein Fehler, nicht wie ein Stilmittel.“

Erstklassige Abbildungsqualität

In der Zusammenfassung meiner Testaufnahmen mit dem Sigma 1,4/35 mm an der Nikon D800 kann ich feststellen: Die Abbildungsqualität ist exzellent. Bereits bei vollständig geöffneter Blende werden feinste Strukturen aufgelöst, erkennbar zum Beispiel an den präzise abgebildeten zarten Haaren der Blütenkelche des Roten und Weißen Fingerhuts, meinen Haupt-Testmotiven vor meiner Haustür in Selk. Gleichzeitig verschwimmen die Elemente im Hintergrund dank des attraktiven Bokehs in einer für das Auge angenehmen Unschärfe, was die bildwichtigen Bereiche noch plastischer erscheinen lässt. Auch bei weiteren wichtigen Kriterien für die optische Qualität eines Objektivs wie chromatische Aberration, Vignettierung, Verzeichnung und Reflexe schlägt sich das Sigma hervorragend, wie ich feststellen konnte. Und wie steht es um die mechanischen Werte? Nun, die Linse ist weitgehend aus Metall gefertigt und wirkt „unkaputtbar“. Der Nachteil dieser Robustheit ist das hohe Gewicht. Dafür liegt die Einheit von Kamera und Objektiv ruhig in der Hand. Ein Manko, das Sigma unbedingt abstellen sollte, ist die fehlende Abdichtung gegen Staub und Feuchtigkeit am Bajonett.

Ich habe das Sigma 1,4/35 mm versuchsweise auch an meiner für die reinrassige Infrarot-Fotografie umgebauten Nikon D700 getestet und auch hier nur positive Ergebnisse erzielt. Schon bei weit geöffneter Blende wird das Hauptmotiv gestochen scharf abgebildet und perfekt vom Hintergrund gelöst.

Achtung, Suchtgefahr!

Fazit – und Warnung zugleich – nach drei Tagen intensiver Fotografie mit dem Sigma 1,4/35 mm: Wer es einmal benutzt hat, möchte es nicht mehr hergeben. Hoher Suchtfaktor!

 

 

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