Das Tamron SP 150-600 G2 im Praxistest

Silbermöwe (Larus argentatus) im Hafen von Eckernförde (Schleswig-Holstein), aufgenommen mit dem Telezoom Tamron SP 150-600 G2
Silbermöwe (Larus argentatus) im Hafen von Eckernförde (Schleswig-Holstein), aufgenommen mit dem Telezoom Tamron SP 150-600 G2 © Holger Rüdel

Im August 2016 brachte der japanische Objektivhersteller Tamron eine neue Version (G2 bzw. A022) seines Telezooms SP 150-600 mm 1:5-6,3 Di VC USD heraus, das Ende 2013 erschienen war. Dieses Super-Telezoom besitzt zusammen mit den brennweitengleichen Linsen von Sigma aus der „Contemporary“- und „Sports“-Produktlinie ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt der Extrem-Objektive. Keiner der führenden Originalhersteller verfügt über ein Modell mit ähnlich großem Brennweitenbereich. Für Nikon-Fotografen kommt als „hauseigenes“ Produkt allenfalls das AF-S Nikkor 200-500 mm 1:5,6E ED VR in Betracht, allerdings mit einem deutlich reduzierten Zoom-Bereich.

Die Neuauflage des Tamron SP 150-600 mit zahlreichen Verbesserungen

Laut Tamron weist die Neuauflage des SP 150-600 zahlreiche Verbesserungen in der Schärfe, der Abdichtung gegen Staub und Feuchtigkeit, der Autofokus-Geschwindigkeit und der Bildstabilisierung auf. Das SP 150-600 G2 verfügt über drei Arten von VC (Bildstabilisierungs-Modus). Eine Fluor-Beschichtung des Objektivs soll die Frontlinse vor Kondensation, Fingerabdrücken und Schmutz schützen und die Reinigung erleichtern. Ein weiteres neues Feature ist der sogenannte „Flex Zoom Lock“-Mechanismus, der das Objektiv an einer beliebigen Position durch einfaches Schieben des Zoomrings verriegelt oder entriegelt. Ein unbeabsichtigtes Zoomen wird dadurch unterbunden. Zusätzlich verhindert der schon bei der Vorgängerversion vorhandene Zoom-Lock das unerwünschte Ausfahren des Tubus während des Transports.

Das G2 ist kompatibel mit zwei optional erhältlichen Telekonvertern, die eine 1,4-fache bzw. 2,0-fache Vergrößerung bieten. Mit einer zusätzlichen USB-Docking-Station („TAP-in-Konsole“) lassen sich die Objektiv-Firmware anpassen sowie Feineinstellungen für den Autofokus und VC vornehmen.

Das SP 150-600 G2 richtet sich ebenso wie sein Vorgängermodell vor allem an Fotografen, die in den Bereichen Sport und Wildlife mit Motiven konfrontiert werden, die sich in größerer Entfernung schnell und oftmals unvorhersehbar auf die Kamera zu- oder wegbewegen. Für diese extreme fotografische Herausforderung bietet ein Objektiv mit dem großen Zoombereich von 150-600 mm optimale Voraussetzungen.

Das Tamron SP 150-600 G2 im Praxistest

Im Frühjahr 2017 hatte ich die Möglichkeit, das Tamron SP 150-600 G2 an den Nikon-Kameras D610 und D800 zu testen. Anlass war ein Projekt, bei dem ich in der Feldberger Seenlandschaft im Südosten von Mecklenburg-Vorpommern Seeadler und andere Greifvögel in Aktion fotografieren wollte.

Für ein „Warmlaufen“ mit dem Tamron SP 150-600 G2 hatte ich mir als Location den Hafen der Ostseestadt Eckernförde mit seiner großen Silbermöwen-Population ausgesucht. Möwen sind in ihrer Agilität unberechenbar: Manchmal wirken sie träge und statisch, dann wieder bewegen sie sich blitzartig und unvorhersehbar – ideale Motive also, um herauszufinden, wie sich das Tamron SP 150-600 G2 bei der Fotografie von Vögeln im Flug schlägt.

Aber zunächst zum äußeren Eindruck: Das Objektiv macht einen hochwertigen, robusten und langlebigen Eindruck. Lediglich die Sonnenblende ist aus leichtem Kunststoff, was aber unter dem Aspekt der Gewichtsreduzierung eher vorteilhaft ist. Sie kann zudem umgedreht auf dem Objektiv befestigt werden. Mir gefällt auch die Arca-Swiss-kompatible Stativschelle aus leichtem Magnesium, mit der man das Objektiv im Freihandeinsatz sicher halten und stützen kann.

Apropos freihändig: Mich hat überrascht, wie gut sich das Tamron SP 150-600 G2 auch ohne Stativunterstützung einsetzen lässt. Das ist dem – im Vergleich zu Objektiven mit fester Brennweite – geringen Gewicht von „nur“ 2 kg zu verdanken, vor allem aber der ausgezeichneten Bildstabilisierung (bis zu 4,5 Blendenstufen im VC-Modus 3 laut Tamron).

Ein weiteres positives Ergebnis meiner „Möwenjagd“ mit dem Tamron SP 150-600 G2 war die hohe Trefferquote bei der Autofokus-Verfolgung der flinken Vögel: Bei den meisten der etwa 1.000 Testaufnahmen funktionierte das Zusammenspiel von Kamera und Objektiv bei der Autofokussteuerung perfekt.

 

Erstaunlich gutes Preis-Leistungsverhältnis

Entscheidend für die Qualität eines Objektivs ist natürlich in erster Linie seine optische Performance. Ich muss zugeben, dass ich hier zunächst skeptisch war. Kann ein Telezoom mit diesem gigantischen Brennweitenbereich eine professionelle Bildqualität an einer Vollformat-DSLR wie der Nikon D610 und der Nikon D800 (mit dem besonders anspruchsvollen 36-Megapixel-Sensor) liefern?

Nach der Auswertung meiner Testfotos kann ich diese Frage eindeutig mit Ja beantworten. Schon bei offener Blende (5-6,3) liefert das Tamron in der Bildmitte überraschend scharfe, absolut brauchbare Ergebnisse auch für großformatige Veröffentlichungen. Ein leichtes Abblenden (Blende 8 bei 600 mm) verbessert Auflösung und Kontrast sichtbar. Die 100-%-Ausschnitte aus zwei der Möwen-Testbilder, die bei Blende 8 entstanden sind und die ich in der Galerie unten zeige, sind eindrucksvolle Belege für die hervorragende optische Qualität des Objektivs.

Positiv zu vermerken ist ferner, dass ich bei Gegenlicht und in anderen extremen Belichtungssituationen keine Geisterbilder und kein unerwünschtes Streulicht feststellen konnte. Das Bokeh ist bei offener Blende angenehm weich, aber auch noch abgeblendet gefällig. Chromatische Aberration und Vignettierung sind in geringem Maß vorhanden, lassen sich aber in der RAW-Entwicklung problemlos entfernen. Wer seine RAW-Dateien mit Lightroom oder Photoshop entwickelt, kann das von Adobe angebotene Objektivprofil für das Tamron SP 150-600 G2 aktivieren und die erforderlichen Korrekturen dann automatisiert ausführen lassen.

Fazit

Natürlich ist ein Objektiv wie das Tamron SP 150-600 G2 nicht vergleichbar mit Festbrennweiten-Linsen wie etwa dem AF-S NIKKOR 600 mm 1:4E FL ED VR, das zehnmal so viel kostet und vor allem mit seiner größeren Lichtstärke in Grenzbereichen der Tier- und Sportfotografie klar im Vorteil ist, wenn man es denn mit seinen fast 4 kg plus Stativ bereit ist mitzuschleppen. Ich kenne Kollegen, die dieses Ausnahmeobjektiv besitzen, aber wenig nutzen, weil es einfach zu groß und schwer ist.

Insofern ist Tamrons Supertele-Zoom ein guter Kompromiss: relativ leicht, handlich, flexibel, robust, schnell und vor allem erstaunlich scharf. Der Nachteil der geringen Lichtstärke lässt sich in vielen Fällen durch eine höhere ISO-Zahl ausgleichen. Das dann unvermeidbar auftretende größere Rauschen kann man in der RAW-Entwicklung zum Beispiel in Lightroom sehr effektiv reduzieren.

Ein klare Empfehlung also für das neue Tamron SP 150-600 G2!

Update 2018: Wie schlägt sich das Tamron SP 150-600 G2 an der Nikon D850?

Ich war gespannt und etwas unsicher, wie sich das Tamron SP 150-600 G2 an der neuen Nikon D850 schlägt, deren extrem hochauflösender 45,7-Megapixel-Sensor einen Härtetest für jedes Objektiv darstellt. Nach ersten Outdoor-Einsätzen kann ich beruhigt feststellen: Die Bildergebnisse sind exzellent, besser als erwartet. Auch im Vergleich zu dem „kleineren“ Sensor der Nikon D800 sehe ich keinerlei Schwächen in der Performance des Teleriesen von Tamron.

Update 2019: Das Tamron SP 150-600 G2 an der Nikon Z6 und Z7

Im Oktober 2018 teilte Tamron mit: „Wir möchten Sie hiermit darauf hinweisen, dass aktuell einige Tamron Di/Di II-Objektive mit Nikon-Anschluss bei Verwendung mit dem ersten Nikon-Kameramodell Z7 der neuen spiegellosen Nikon Z-Serie (seit dem 28. September 2018 im Handel erhältlich) in Kombination mit dem Nikon-Anschlussadapter FTZ leider nicht uneingeschränkt funktionieren.“

Zu diesen Objektiven gehörte auch das Tamron SP 150-600 G2.

Besitzer einer Nikon Z6 oder Z7 können jetzt aufatmen: Kürzlich brachte Tamron ein Firmware-Update heraus, mit dem die Kompatibilität u. a. des Tamron SP 150-600 G2 an den Nikon-Kameras der Z-Serie in Kombination mit dem Nikon FTZ-Anschlussadapter gewährleistet wird.

Update 2023: Tamron SP 150-600 G2 versus Nikkor Z 180-600 mm

Im Sommer 2023 brachte Nikon das Supertele-Zoom Nikkor Z 180-600 mm 1:5.6-6.3 VR auf den Markt. Ich hatte die Möglichkeit, dieses Objektiv ein paar Tage zu testen, und war gespannt auf einen Vergleich mit dem Tamron bei Aufnahmen in der „freien Wildbahn“. Zunächst zur Ausstattung der beiden Linsen: Das neue Nikkor besticht im Gegensatz zum Tamron mit einer internen Zoomfunktion, wodurch sich Länge und Schwerpunkt des Objektivs nicht ändern. Dafür ist die sonstige Ausstattung des Nikkor etwas dürftiger, so fehlt zum Beispiel ein VR-Schalter am Objektiv.

Viel wichtiger ist jedoch die optische Performance. Und hier war ich überrascht, dass sich das schon etwas betagte Tamron bei meinen Vergleichsaufnahmen eindeutig als Sieger behaupten konnten. Vor allem bei 600 mm und offener Blende: Während das Tamron hier mit guter Auflösung und beachtlichem Kontrast im Bildzentrum glänzte, fiel das Nikkor mit einem leicht verwaschenen Schärfeeindruck sichtbar ab.

Um fair zu sein: Das Nikkor Z 180-600 mm wird von Nikon nicht in der hauseigenen „S-Klasse“ gelistet. Mit diesem Label zeichnet der japanische Hersteller die Z-Objektive mit der höchsten Performance aus. Insofern darf man vom Nikkor Z 180-600 mm keine Spitzenleistungen erwarten. Dennoch enttäuscht das Abschneiden des Objektivs bei diesem kleinen Vergleichstest, zumal der Straßenpreis des Tamron deutlich günstiger als der seines Mitbewerbers ist.

Exkurs: Erfolgreiche Aufnahmen von Vögeln im Flug – einige Tipps für Nikon-Fotografen

  • 1/2000 Sekunde als Mindestbelichtungszeit; sicherer ist aber eine 1/2500 Sekunde, um Bewegungen einzufrieren (es sei denn, man möchte Bewegungsunschärfen in die Komposition einbeziehen)
  • ISO-Automatik aktivieren und die 1/2000 oder 1/2500 Sekunde als Grenzwert einstellen; ISO maximal 6.400 (D600, D610, D800) bzw. maximal 12.800 (D850). Möchte man die volle Kontrolle über Blende und Belichtungszeit bei aktionsgeladenen Wildlife-Aufnahmen erhalten, empfiehlt sich eine Kombination von ISO-Automatik und manueller Belichtungssteuerung. 
  • Kontinuierlicher Autofokus (C) mit Auslösepriorität
  • Die Schärfenachführung mit Lock-On nach Bedarf anpassen (in der Tendenz in Richtung „kurz“ (D600/D610/D800) bzw. „schnell“ (D850)
  • Alle Fokusmessfelder scharf schalten: D600/D610 39 Felder, D800 51 Felder und D850 153 Felder (je nach Motivsituation bringt eine Beschränkung auf 72 Felder eventuell bessere Ergebnisse) 
  • Bildstabilisierung am Objektiv deaktivieren (wird bei der kurzen Belichtungszeit nicht benötigt und könnte die Auslösefrequenz verringern)
  • Entfernungs-Voreinstellung beim Objektiv: 10 Meter bis unendlich
  • Matrix-Messung, je nach Licht- und Motivsituation in Verbindung mit Belichtungskorrekturwert. Wichtig hierbei: Unterbelichtungen lassen sich in der RAW-Entwicklung korrigieren, ausgefressene Lichter aufgrund von Überbelichtung nicht! 
  • Maximale Serienbildfunktion (CH)
  • Bei Einsatz der D850: Multifunktionshandgriff MB-D18 verwenden, Hochleistungsakku EN-EL18b einsetzen und als primäres Speichermedium eine XQD-Karte wählen (Empfehlung: eine XQD-Karte aus der schnellen und robusten G-Serie von Sony). Unter diesen Voraussetzungen sind längere Serien mit 9 Bildern pro Sekunde möglich, wodurch sich die Trefferquote gegenüber der D600, D610 und D800 drastisch erhöht, zumindest theoretisch …
  • Mittleres Fokusmessfeld auswählen
  • Das Motiv schon von weitem über das zentrale Fokusmessfeld anvisieren, den Auslöser leicht durchdrücken (oder den „AF-ON“-Knopf bzw. den auf „AF-ON“ umprogrammierten rückseitigen AE-L/AF-L-Knopf bei der Back-Button-Focus-Methode) und das Motiv in seiner Bewegung durch Mitziehen verfolgen, gegebenenfalls unter Veränderung der Brennweite, und dann: auslösen, auslösen, auslösen …
  • Verliert der Autofokus das Motiv „aus den Augen“, dieses dann neu über das zentrale Fokusmessfeld ins Visier nehmen, mitziehen und wieder: auslösen, auslösen, auslösen …

 

Meine Fotografien als FineArt-Prints bestellen – hier geht’s zum Online-Shop: shop.holger-ruedel.de