Anton Corbijn im Bucerius Kunst Forum Hamburg
Kein anderer Fotograf der Gegenwart hat das visuelle Profil der Rockmusik und ihrer führenden Protagonisten so entscheidend geprägt wie der Niederländer Anton Corbijn.
Noch bis zum 6. Januar 2019 widmet das Hamburger Bucerius Kunst Forum dem 1955 geborenen Künstler eine umfangreiche Ausstellung. Das Projekt „Anton Corbijn. The Living and the Dead“ zeigt die ikonischen Porträts von Musikern und Bands wie Joy Division, Depeche Mode, Tom Waits, U2 oder den Rolling Stones – Arbeiten, die Corbijn weltberühmt machten.
Corbijns Musikerporträts – rau und meistens schwarzweiß
Die vom Kurator Franz Wilhelm Kaiser konzipierte Schau gliedert sich in zwei Teile. Der erste Abschnitt der Ausstellung widmet sich den meist als Auftragsarbeiten entstandenen Musikerporträts und zeigt eine Auswahl von 77 seiner bekanntesten Fotografien aus 40 Jahren seines Schaffens. Dabei handelt es sich um Arbeiten aus verschiedenen Serien, die jeweils ein eigenes Format und eine eigene Ästhetik aufweisen. Viele davon wurden zu ikonischen Bildern.
Seine raue, körnige, bisweilen unscharfe Handschrift überwiegend in Schwarzweiß prägte das Image zahlreicher Musiker und passte zu dem Selbstverständnis dieser Künstler, die sich von den Rockmusikern der älteren Generation mit ihren oft perfekt inszenierten, aber leblosen Studio-Farbfotos abheben wollten. Corbijns völlig unglamouröse Mischung von leicht arroganter Pose und authentisch wirkender Live-Atmosphäre war etwas ganz Neues in der Musikfotografie. Bei seinen Auftragsarbeiten erkämpfte Corbijn sich damit schon früh schöpferische Freiheit, um seinen eigenen Stil umsetzen zu können.
„I wanted to be free, and the music represented that for me” (Anton Corbijn)
Im Obergeschoss zeigt das Bucerius Kunst Forum im zweiten Teil freie Arbeiten von Corbijn. Für die Serie „a. somebody“ begab sich Corbijn in der Maske von verstorbenen Stars der Rockmusikszene in die ländliche Umgebung seiner Kindheit und Jugend. Diesen Farbfotografien stehen Schwarzweiß-Fotografien gegenüber, die im Studio aufgenommen wurden und an Passbilder erinnern.
Diese sehr persönlichen Arbeiten sind, so mag man es deuten, der Versuch des Künstlers, die Enge seines Elternhauses und seine Suche nach einer eigenen Identität fotografisch im Rückblick aufzuarbeiten. Für die ebenfalls auf der zweiten Ebene gezeigte Serie „Cemeteries“ fotografierte Anton Corbijn keine Menschen, sondern ausnahmsweise Grabmonumente in seiner charakteristischen rauen Bildsprache. Diese bisher nicht veröffentlichte Serie entstand 1982 in der Zeit von Corbijns Durchbruch.
Allerdings: Überzeugen kann der zweite Teil der Ausstellung nicht und wird für manche Besucher wohl rätselhaft bleiben. Vielmehr hätte man sich gewünscht, die Reihe der teilweise grandiosen Musikerporträts im Obergeschoss fortzusetzen. Dann hätte die insgesamt überschaubare Retrospektive sicher deutlich mehr Gewicht und Qualität erhalten.
„Anton Corbijn. The Living and the Dead“ ist der Beitrag des Bucerius Kunst Forums zur Triennale der Photographie in Hamburg 2018.