Doris Esselbach
Heute ist es nahezu selbstverständlich, dass Frauen an der Spitze von Unternehmen anzutreffen sind. Im 19. Jahrhundert dagegen, im Zeitalter einer ausschließlich von Männern dominierten Welt, muss sich eine Chefin wie ein exotisches Wesen gefühlt haben. Wir wissen nicht, wie Doris Esselbach (1808-1869), die legendäre Inhaberin des Schleswiger Hotels „Stadt Hamburg“, über ihre Rolle als Führungsperson in einer Männergesellschaft dachte.
Eine resolute Frau
Überliefert ist allerdings, dass sie sich mit Charme, Verstand und einer Portion resoluter Geschäftstüchtigkeit weit über die Stadtgrenzen hinaus Respekt und Anerkennung verschaffte. Unter ihrer klugen Leitung avancierte das Hotel mit dem angeschlossenen Restaurant Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem der bekanntesten und beliebtesten Gasthäuser in ganz Nordeuropa. Bedeutende Persönlichkeiten verkehrten hier, neben Vertretern des dänischen Königshauses etwa der berühmte dänische Märchendichter Hans Christian Andersen, später auch führende Repräsentanten des preußischen Staates. Als sie einmal gefragt wurde, für welche nationale Seite ihr Herz schlägt, antwortete sie: „Als Wirtin kann ich mich nicht darum kümmern, ob jemand, der bei mir verkehrt, deutsch oder dänisch ist.“ Ihre unternehmerische Tatkraft und Weitsicht waren bemerkenswert: Über den gastronomischen Bereich hinaus, bei dem sie mit dem Import edler Weine und bayerischer Biere Neuland betrat, erschloss sie neue Geschäftsfelder durch die Eröffnung einer Poststelle neben ihrem Hotel und einer Personenbeförderung per Kutsche innerhalb des Stadtgebietes.
Vor der Kamera von Christian Nikolaus Schnittger
In seinen Memoiren setzte der Journalist Meir Aron Goldschmidt Doris Esselbach ein literarisches Denkmal: „Sie ist eine nette, kleine Frau, ein wenig rundlich, um die vierzig Jahre alt, und mit lebhaften grauen Augen. Sie ist eine bewundernswerte Gastgeberin, eine lebhafte und interessante Frau. Man spricht in der heutigen Zeit so oft von emanzipierten Frauenzimmern; hier trifft man auf eine wahrhaft in vernünftiger Weise emanzipierte Frau. Sie behauptet ihre Stellung im Leben durch den Willen und ihre Persönlichkeit.“ Ein fotografisches Denkmal schuf der Schleswiger Christian Nikolaus Schnittger, als er die Patronin des „Stadt Hamburg“ um 1860 in sein Atelier bat. Diese Aufnahme ist eine der viele Neuentdeckungen, die in der Ausstellung des Stadtmuseums zu sehen sind.
Dieser Beitrag bildet den Auftakt zu einer Artikelserie über die Ausstellung „Schleswig neu entdeckt!“ im Stadtmuseum (noch bis 13. März 2016) und wurde am 16. Januar 2016 in den „Schleswiger Nachrichten“ veröffentlicht.