Moderne Zeiten. Bucerius Kunst Forum 2021

Bernd und Hilla Becher: Förderturm, Fosse Noeux no. 13, Frankreich, 1972 © Estate Bernd & Hilla Becher, represented by Max Becher; courtesy Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – Bernd and Hilla Becher Archive, Cologne
Bernd und Hilla Becher: Förderturm, Fosse Noeux no. 13, Frankreich, 1972 © Estate Bernd & Hilla Becher, represented by Max Becher; courtesy Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – Bernd and Hilla Becher Archive, Cologne

Das Bucerius Kunst Forum hat sich neben dem zurzeit geschlossenen Haus der Photographie in den Deichtorhallen zur wichtigsten Adresse für Fotokunst in Hamburg entwickelt. Eines der herausragenden Projekte der letzten Jahre war die stark beachtete Retrospektive “Anton Corbijn. The Living and the Dead“ von 2018.

Mit der aktuellen Schau „Moderne Zeiten. Industrie im Blick von Malerei und Fotografie“ knüpft das Bucerius Kunst Forum an diesen Publikumserfolg an, denn erstmals widmet sich eine Ausstellung der Darstellung von Industrie im Dialog der Medien Malerei und Fotografie. In den neuen, großzügigen Räumen des Bucerius Kunst Forum spannt „Moderne Zeiten“ einen Bogen vom Beginn der Industrialisierung bis heute, von der Romantik bis zur zeitgenössischen Fotografie.

Malerei und Fotografie der letzten 175 Jahre

Bildgewaltig macht sie die Entwicklungen und Veränderungen in der künstlerischen Industriedarstellung über einen Zeitraum von 175 Jahren deutlich. Die Ausstellung versammelt 26 Gemälde und 174 Fotografien von über 100 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Werke von Adolph von Menzel, Conrad Felixmüller, Albert Renger-Patzsch, August Sander, Otto Steinert, Evelyn Richter, Hilla und Bernd Becher, Robert Voit, Thomas Struth und Inge Rambow.

Oskar Nerlinger: An die Arbeit, 1930, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) © S. Nerlinger Foto: Punctum/Bertram Kober
Oskar Nerlinger: An die Arbeit, 1930, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) © S. Nerlinger Foto: Punctum/Bertram Kober

Um es vorwegzunehmen: Den Kuratoren Kathrin Baumstark und Ulrich Pohlmann ist es gelungen, die Herausforderung einer Verbundschau von Fotografie und Malerei eindrucksvoll zu lösen. Durch die geschickte Einbettung einzelner großformatiger Fotografien in die nach Epochen gegliederte Ausstellung wirkt die Lichtbildkunst in den weiten Räumen nicht wie ein Beiwerk zu den teils mächtigen Gemälden, sondern wird als gleichberechtigtes Medium präsentiert.

Als solches trat die Fotografie in der Darstellung industrieller Welten allerdings erst mehrere Jahre nach ihrer Erfindung durch Louis Daguerre 1839 auf. Der Industrielle Alfred Krupp gehörte zu jenen, die große Hoffnungen in das Lichtbild setzten. 1861 gründete er als erster Unternehmer weltweit eine werkseigene „Photographische Anstalt“.

Ausstellungskritik

Die gelungene Ausstellungsästhetik ist die eine Seite des Projektes „Moderne Zeiten“, die Auswahl der Objekte eine andere. Und hier sind kritische Anmerkungen angebracht: So wird die ideologisch-propagandistische Darstellung von Arbeitswelten im „Dritten Reich“ und in der Stalin-Ära der Sowjetunion nur kurz angerissen, obwohl dafür zweifellos reiches Bildmaterial verfügbar gewesen wäre.

Peter Keetman: Vordere Abschlussbleche, aus der Serie: Eine Woche im Volkswagenwerk, Wolfsburg 1953, Münchner Stadtmuseum © Stiftung F. C. Gundlach, Hamburg
Peter Keetman: Vordere Abschlussbleche, aus der Serie: Eine Woche im Volkswagenwerk, Wolfsburg 1953, Münchner Stadtmuseum © Stiftung F. C. Gundlach, Hamburg

Ebenso wenig nachvollziehbar ist, warum im abschließenden Kapitel der Ausstellung („Im Zeitalter des Anthropozäns. Zwischen Automation und Ausbeutung“) die vielleicht bedeutendste fotografische Bildfolge zu diesem Thema – der Zyklus „Arbeiter“ von Sebastião Salgado – nur mit einem einzigen, eher schwächeren Beispiel vertreten ist. Demgegenüber erscheinen die zahlreichen Werke aus der Schule von Bernd und Hilla Becher deutlich überrepräsentiert.

Dennoch: Mit der Ausstellung „Moderne Zeiten. Industrie im Blick von Malerei und Fotografie“ ist dem Bucerius Kunst Forum ein großer Wurf im Ausstellungsjahr 2021 gelungen. Unbedingt sehenswert!

„Moderne Zeiten“ ist noch bis zum 26. September 2021 zu sehen. Weitere Informationen: buceriuskunstforum.de

 

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