Digitale Infrarotfotografie mit Nikon-Kameras in der Praxis

Das als idyllisch beschriebene Hasselholmer Tal im Norden der Stadt Schleswig wird von einer Straßenbrücke radikal durchschnitten. Im infraroten Licht wirkt die schon bei normalem Licht etwas bizarre Szene mit dem romantischen Rankbogen eines Hotelgartens im Vordergrund und der kühlen Brückenkonstruktion im Hintergrund definitiv wie ein Motiv aus einer surrealen Welt.
Das als idyllisch beschriebene Hasselholmer Tal im Norden der Stadt Schleswig wird von einer Straßenbrücke radikal durchschnitten. Im infraroten Licht wirkt die schon bei normalem Licht etwas bizarre Szene mit dem romantischen Rankbogen eines Hotelgartens im Vordergrund und der kühlen Brückenkonstruktion im Hintergrund definitiv wie ein Motiv aus einer surrealen Welt. © Holger Rüdel

Infrarotfotografie mit Nikon-Digitalkameras: Inspiriert durch Jim Brandenburg und seine virtuose Beherrschung der Infrarotfotografie, habe ich das Gehäuse einer digitalen Nikon-Spiegelreflexkamera vom Typ D7000 beim Spezialisten Optic Makario für die reine Infrarotfotografie umbauen lassen. Reine Infrarotfotografie bedeutet hier: Man opfert ein Digitalgerät für nichts anderes als die infrarote Aufnahmetechnik, wobei es verschiedene Varianten des Kameraumbaus gibt.

Monochrome Infrarotfotografie

Ich habe mich, angelehnt an die Empfehlungen von Jim Brandenburg, für den Einbau eines Longpassfilters für die monochrome Infrarotfotografie im Wellenbereich von 830 nm entschieden. Auf der Website von Optic Makario heißt es dazu: „Diese Version ist die komfortabelste Version, da der Autofokus (AF) mit Hilfe unseres selbstentwickelten Kalibrationsverfahren ‚MWK‘ auf die jeweilige eingebaute Wellenlänge kalibriert werden kann. Das Sucherbild bleibt bis zur Auslösung hell. Als erstes Unternehmen haben wir im Jahr 2005 ein Verfahren entwickelt (MWK), mit dem wir den AF nicht nur auf verschiedene Wellenlängen kalibrieren können, sondern das auch gewährleistet, dass der AF der Kamera die langwelligeren Infrarotstrahlen nach dem Umbau über den gesamten Brennweitenbereich scharf stellt, so dass nicht mehr manuell korrigiert werden muss wie bei analogen und nicht umgebauten Digitalkameras. Auch wenn manuell über den Sucher oder TFT fokussiert wird, produziert die Kamera höher aufgelöste, scharfe Bilder.“

Entfesseltes Fotografieren auch mit einer Infrarotkamera!

Tatsächlich eröffnet sich mit dieser von Optic Makario „neudefinierte Version“ genannten Methode des Kameraumbaus eine fast grenzenlose fotografische Freiheit – mit kurzen Belichtungszeiten, die Aufnahmen ohne Stativ ermöglichen, voll funktionstüchtigem Autofokus und Belichtungsmesswerten, die nahe am optimalen Ergebnis liegen (in der Regel ist eine leichte Überbelichtung gegenüber den angezeigten Daten erforderlich). Außerdem entfallen lästige objektivseitige Filter. Übrigens: Bei Optic Makario erfolgt der Umbau aller Nikon-Modelle ohne Verlust der Herstellergarantie!

AF-Tuning nach dem Umbau eines Nikon-Gehäuses

Als ich meine D7000 nach dem Umbau zurückerhielt, wurde mir empfohlen, jedes meiner Nikkor-Objektive auf Autofokus-Unschärfen zu prüfen und gegebenfalls per kamerainterner AF-Feinabstimmung individuell zu justieren. Ich will nicht verschweigen, dass diese Maßnahme unbedingt erforderlich war, weil alle Aufnahmen per Autofokus deutliche Unschärfen aufwiesen. Nach zweitägiger Arbeit mit einigen Hundert Testaufnahmen, bei der mir die Empfehlungen zur Vorgehensweise bei der Justierung der AF-Feinabstimmung auf der Nikon-Support-Website eine große Hilfe waren, funktionierte alles perfekt. Das Ergebnis: gestochen scharfe Bilder in allen Entfernungsbereichen.

Tipps zur Konvertierung in Schwarzweiß

Die umgebaute Nikon D7000 produziert monochrome Bilder, die dunkelrosa eingefärbt sind. Für die Umwandlung in ein infrarotes Schwarzweiß-Foto gibt es folgende Methoden für Nikon-Fotografen:

  1. Fotografiert man im JPEG-Modus, lässt man die Kamera diesen Job am bequemsten gleich bei der Speicherung der Aufnahmen erledigen (über die Option „Monochrom“ in der Picture-Control-Konfiguration).
  2. Wer – wie es bei mir der Fall ist – primär mit RAW-Dateien arbeitet, muss das Bild in der digitalen Nachbearbeitung entweder manuell oder automatisiert beim Import in die Datenbank konvertieren. Ich habe mir ein spezielles Import-Preset für meinen Lightroom-Katalog angelegt, so dass ich nach dem Import der RAW-Dateien sofort alle Infrarotaufnahmen in Schwarzweiß sehe. Die Vorgehensweise beim Erstellen eines Import-Presets habe ich in dem Beitrag „Lightroom für Nikon-Fotografen“ grundlegend beschrieben.
  3. Auch wenn man seine Infrarot-Kamera vorzugsweise im RAW-Modus nutzt, empfiehlt es sich, die Option „Monochrom“ in der Picture-Control-Konfiguration zu aktivieren. Der entscheidende Vorteil: Das Live-View-Bild wird schwarzweiß und nicht dunkelrosa dargestellt. Man erhält so im Live-View-Modus – nicht aber im Sucherbild! – eine präzise Vorschau auf das Aufnahmeergebnis in Schwarzweiß.

 

Infrarotfotografie: Neue Sehweisen und Bildwelten

Keine Frage: Die digitale Infrarotfotografie erschließt neue Sehweisen und Bildwelten. Der Grat zwischen Kitsch und Kunst ist dabei allerdings sehr schmal, denn schnell gerät man in die Versuchung, allein auf den märchenhaften Effekt der Aufnahmen zu setzen und es damit klischeehaft zu übertreiben. Könner wie Jim Brandenburg nutzen die Infrarottechnik nicht um ihrer selbst willen, sondern immer nur dann, wenn ein Motiv im infraroten Licht eine besondere ästhetische Kraft und Anmutung erhält. Bei den besten Beispielen – etwa seiner Serie vom Mont-Saint-Michel – geschieht das so subtil, dass nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, ob es sich um Infrarotfotos handelt.

 

 

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