Island. Djúpavík

Aus der Vogelperspektive gesehen: die alte Heringsfabrik in Djúpavík am Fjord Reykjarfjörður an der Ostküste der isländischen Westfjorde.
Aus der Vogelperspektive gesehen: die alte Heringsfabrik in Djúpavík am Fjord Reykjarfjörður an der Ostküste der isländischen Westfjorde. © Holger Rüdel

Djúpavík, auf Deutsch „Bucht der Abgründe“, ist ein Ort wie kein anderer in Island. Erreichbar nur auf einer der einsamsten und abenteuerlichsten Pisten in Islands Westfjorden, am sichersten mit einem robusten Allrad-Mobil. Man fährt entlang der Steilküste auf einer kurvenreichen Schotterstraße durch eine großartige Landschaft. Rechts der Atlantik, links steil aufragende Felswände. Oft lauert Steinschlaggefahr.

Lost Place, Industriemuseum und Kulturzentrum: die alte Heringsfabrik in Djúpavík am Fjord Reykjarfjörður an der Ostküste der isländischen Westfjorde.
Lost Place, Industriemuseum und Kulturzentrum: die alte Heringsfabrik in Djúpavík am Fjord Reykjarfjörður an der Ostküste der isländischen Westfjorde. © Holger Rüdel

Nach langer Fahrt gibt eine Anhöhe den Blick frei auf das Ziel: die alte, halb verfallene Heringsfabrik in Djúpavík, dieser winzigen Siedlung am Fjord Reykjarfjörður an der Ostküste der isländischen Westfjorde. Die verwitterte Anlage ist ein Lost Place, gleichzeitig aber auch ein Industriemuseum und lebendiges Kulturzentrum. Das verleiht diesem extrem abgelegenen Ort seinen einzigartigen Charakter.

Die Geschichte der alten Heringsfabrik in Djúpavík

Dank des Heringsbooms in den isländischen Gewässern entwickelte sich Djúpavík in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer pulsierenden Siedlung. Bereits 1917 entstand hier die erste Fabrik für Salzheringe. 1934 wurde eine neue Fischfabrik gebaut, damals das größte Betongebäude in ganz Island. Die Belegschaft wuchs auf mehrere hundert Beschäftigte, von denen etwa vierzig permanent im Ort wohnten. Diese Erfolgsgeschichte endete bereits in den späten 1940er Jahren, als das „Silber der Meere“ in den Gewässern rund um Island ausblieb. 1954 musste die Fabrik geschlossen werden. Djúpavík entwickelte sich zur Geisterstadt. 1982 war der Ort schließlich menschenleer.

Lost Place, Industriemuseum und Kulturzentrum

Schon zwei Jahre später erlebte Djúpavík eine neue Blüte: Der Isländer Ásbjörn Þorgilsson und seine Frau verliebten sich in den morbiden Charme der Heringsfabrik und sahen die Chance für ein Comeback des Ortes unter kulturtouristischen Vorzeichen. Ein kühner, mutiger Gedanke, aber die Projektidee erwies sich bis heute als erfolgreich. Zunächst bauten sie ein Haus, das früher Arbeiterinnen der Fabrik als Unterkunft gedient hatte, zum Hotel um. Gleichzeitig sorgten sie dafür, dass der Verfall der Heringsfabrik mit ihren Werkstätten und Betriebseinrichtungen gestoppt wurde, jedoch ohne ihren Charakter als Lost Place durch Restaurierungen zu kaschieren. Die Gebäude der Heringsfabrik sind auf einem durch Informationstafeln erläuterten Rundgang in ihrem quasi „eingefrorenen“ Zustand begeh- und erlebbar. Auch Führungen werden angeboten.

Lost Place, Industriemuseum und Kulturzentrum: die alte Heringsfabrik in Djúpavík am Fjord Reykjarfjörður an der Ostküste der isländischen Westfjorde.
Lost Place, Industriemuseum und Kulturzentrum: die alte Heringsfabrik in Djúpavík am Fjord Reykjarfjörður an der Ostküste der isländischen Westfjorde. © Holger Rüdel

Die alte Heringsfabrik in Djúpavík ist das vielleicht bedeutendste Industriedenkmal Islands. Zugleich ist der historische Komplex das wohl ungewöhnlichste Kulturzentrum in Nordeuropa, denn ein Teil der Werkstätten wird für wechselnde Kunstausstellungen, Konzerte, die Produktion von Musikvideos und andere kreative Events genutzt. Selbst in den ehemaligen Ölspeichern der Fabrik finden Aktionen statt.

Djúpavík – Lost Place, Industriemuseum und Kulturzentrum in einem – ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Und trotz der beschwerlichen Anreise einen Besuch wert.


Aufnahmegeräte: Nikon Z7 und Hasselblad L1D-20c (DJI Mavic 2 Pro).

 

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