John Kimmel. Ein Wanderschäfer in Schleswig-Holstein

Das Danewerk ist das größte Bodendenkmal in Nordeuropa und gehört zu den Beweidungsgebieten des Wanderschäfers John Kimmel, hier im Bild auf der Krone des Danewerks mit Schafen und Hunden westlich von Kurburg.
Das Danewerk ist das größte Bodendenkmal in Nordeuropa und gehört zu den Beweidungsgebieten des Wanderschäfers John Kimmel, hier im Bild auf der Krone des Danewerks mit Schafen und Hunden westlich von Kurburg. © Holger Rüdel

Es ist kalt und regnet in Strömen, als ich John Kimmel, seine Frau Johanna und die Auszubildende Antonia inmitten ihrer Herde auf freiem Feld am Danewerk bei Kurburg besuche. Freiwillig mag man sich bei diesem Wetter nicht lange draußen aufhalten, doch die Tiere können nicht allein gelassen werden. Und außerdem beginnt die Lammzeit. Auch an diesem ungemütlichen Tag wurden auf der durchnässten Weidefläche Lämmer geboren und müssen geborgen werden.

Keine Frage: Die Wanderschäferei – in Literatur und Malerei oft romantisch verklärt – verlangt ihren Akteuren alles ab.

John Kimmel ist der dienstälteste Wanderschäfer in Schleswig-Holstein.
John Kimmel ist der dienstälteste Wanderschäfer in Schleswig-Holstein. © Holger Rüdel

Die Schäferei „Transhumanz“ von John Kimmel

John Kimmel betreibt mit seinem Team, zu dem auch Tochter Käthe gehört, die Schäferei „Transhumanz“. Sie ist eine von nur noch fünf Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein. 

Transhumanz, ein alter Begriff, steht für Wanderschäferei. Aus dem Sprachgebrauch fast verschwunden, soll er doch überleben, deshalb der Name unserer Schäferei. Ja, es gibt sie noch in unserer Industriegesellschaft, die modernen Nomaden, die mit ihren Herden große Entfernungen zwischen Sommer-, Herbst- und Winterweide zurücklegen, die auf die „Walz“ gehen. In jungen Jahren kam ich beim Hüten auf der schwäbischen Alb an das Grab eines Dichters, darauf stand: “Leben heißt Wandern“. Diesen Spruch habe ich nie vergessen, und er ist zum Leitspruch meiner Schäferlaufbahn geworden. Was wäre das Wanderschäferdasein ohne die Walz!
(John Kimmel)

 

1986 verschlug es John Kimmel und seine Frau aus dem Süden nach Schleswig-Holstein, wo er zunächst als angestellter Schäfermeister den Hof Haberland leitete, eine Schäferei in der Regie der Rendsburger Werkstätten. 2001 machten sich die beiden selbständig und erwarben 2004 einen Hof in Krummenort nördlich von Rendsburg. 

Bei nasskaltem Wetter in der Nähe des Danewerks: Auf der Weidefläche wurden Lämmer geboren, müssen geborgen und mit den Mutterschafen zum Hof transportiert werden. Hier hält Antonia Fähnrich, Auszubildende in der Wanderschäferei Kimmel, eines der Lämmer schützend in den Armen.
Bei nasskaltem Wetter in der Nähe des Danewerks: Antonia Fähnrich, Auszubildende in der Wanderschäferei Kimmel, hält ein frisch geborenes Lamm schützend in den Armen. © Holger Rüdel

Mit Heidschnucken und Ziegen durch Naturschutzgebiete

„Wir beweiden im Jahresrhythmus verschiedene Naturschutzgebiete im Radius von 50 km um Rendsburg. Im Frühjahr werden Sandmagerrasen gehütet, im Sommer wiedervernässte Hochmoore und im Herbst/Winter verschiedene Heidegebiete“, erklärt John Kimmel.

In den Mooren fressen die Schafe das unerwünschte Bentgras und die schnell wachsenden Birken. So erhalten zum Beispiel Torfmoos, Sonnentau und Glockenheide wieder Licht und somit die Möglichkeit, sich auszubreiten. Ebenso können Bodenbrüter wie Brachvogel, Bekassine und Uferschnepfe brüten und ihre Jungen aufziehen. In den Heidegebieten muss eine ständige Verjüngung und Auslichtung der Besenheide (auch Heidekraut genannt) durch das Grasen der Schafe erfolgen, um eine Verwaldung zu vermeiden.

Käthe Kimmel ist ausgebildete Wanderschäferin und arbeitet im Betrieb ihres Vaters John Kimmel.
Käthe Kimmel ist ausgebildete Wanderschäferin und arbeitet im Betrieb ihres Vaters John Kimmel. © Holger Rüdel

Die Beweidung dieser Flächen erfolgt nach einem vom Land Schleswig-Holstein jährlich neu festgelegten Plan mit Heidschnucken. Zusätzlich werden in dieser Herde 30 Ziegen wegen ihrer Vorliebe für Birkenblatt und andere Sträucher gehalten. „Die Naturschutzbeweidung erfordert eine ausgefeilte Hütetechnik, denn die Herde muss in jeder gewünschten Form in der Landschaft geführt werden. Dazu ist die Erfahrung durch tägliche Hütearbeit und eine sorgfältige Erziehung unserer Altdeutschen Hütehunde unverzichtbar“, ergänzt John Kimmel.

Mit traditionellem Hut, weitem Mantel und Schäferstock ist der großgewachsene John Kimmel eine imponierende Erscheinung. Und er genießt als dienstältester Wanderschäfer in Schleswig-Holstein das Vertrauen und den Respekt seiner Kolleginnen und Kollegen, von denen mehrere in seinem Betrieb ausgebildet worden sind.

2022 werden John und Johanna Kimmel in den Ruhestand gehen. Dann existieren nur noch vier Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein.

 

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