Duell der Bussarde
Keine Frage: Unter unseren einheimischen Greifvögeln ist der Seeadler (Haliaeetus albicilla) allein schon wegen seiner eindrucksvollen Größe der „König der Lüfte“. Doch für mich gibt es einen „Mitbewerber“ – den Mäusebussard (Buteo buteo). Dieser Vertreter der artenreichen Gattung der Bussarde ist der häufigste Greifvogel in Deutschland und Mitteleuropa.
Bussarde sind einzigartig – aber gefährdet
Was mich an diesem Raubvogel besonders fasziniert, ist die große Bandbreite an unterschiedlichen Färbungen des Gefieders: von nahezu ganz weiß bis fast vollständig schwarzbraun in zahlreichen Varianten – einzigartig in der Vogelwelt Mitteleuropas. Dieses Alleinstellungsmerkmal macht die Beobachtung und das Fotografieren von Bussarden außerordentlich spannend: Jedes Tier ist eine ganz individuelle Erscheinung.
Etwa 100.000 Mäusebussard-Paare werden in Deutschland gezählt – noch. Denn der Bestand ist rückläufig und tendenziell gefährdet. Durch die Erweiterung des Maisanbaus sowie durch den Rückgang von Brachflächen und von Grünland schrumpft der Lebens- und Aktionsraum für die Bussard-Population. Eine weitere, besonders bedrohliche Gefahr bildet die wachsende Zahl der Windkraftanlagen.
Nach einer von der Bundesregierung geförderten wissenschaftlichen Untersuchung („PROGRESS-Studie“) werden bei der aktuellen Anzahl von Windkraftanlagen jährlich 10.000 bis 12.000 Bussarde verletzt oder getötet. Dieser Verlust führt nach Einschätzung der Autoren zu einem Rückgang des Bestandes um sieben Prozent pro Jahr. In Schleswig-Holstein mit seinen zahlreichen Windrädern soll die Population bereits um 70 % eingebrochen sein.
Bussarde beobachten und fotografieren
Dieser Bestandsrückgang ist inzwischen schon bei einer kurzen Wanderung durch Wald, Feld und Flur sichtbar: Wo früher in geringem Abstand Bussarde am Himmel kreisten oder auf Bäumen nach Beute spähten, sucht man heute oft vergebens nach den Greifvögeln mit dem gefleckten Gefieder. Doch es gibt Orte, wo sie mit Sicherheit anzutreffen sind. Dazu zählen vor allem Luderplätze – meistens abseits gelegene Stellen in der Landschaft, an denen Jäger Reste von erlegtem oder überfahrenem Wild deponieren. Inzwischen werden Luderplätze auch von Naturschützern angelegt, um Greifvögel zu füttern. Damit leisten Jäger und Naturschützer einen wichtigen Beitrag zur Bestandserhaltung der gefährdeten Bussard-Population in Deutschland.
Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, im Einvernehmen mit dem Betreiber eines Luderplatzes Mäusebussarde in einem gut getarnten Ansitz aus der Nähe zu beobachten und zu fotografieren. Dabei wurde – wie es in der Tierfotografie oft der Fall ist – die Geduld auf eine harte Probe gestellt, denn es waren zwar Bussarde in der Umgebung zu sehen und zu hören, aber am Luderplatz tauchte keiner auf. Schließlich wurde das lange Warten bei kühler Witterung doch noch belohnt: Wie aus dem Nichts schwebte ein Mäusebussard heran und machte sich in aller Ruhe über die ausgelegten Reste eines überfahrenen Rehs her.
Das Duell
Als der Greifvogel nach gut dreißig Minuten anscheinend im Begriff war, seine Mahlzeit zu beenden, tauchte plötzlich mit hoher Geschwindigkeit ein deutlich größerer Artgenosse auf und stürzte sich auf den überraschten Rivalen. Obwohl von kleinerer Statur, bot er dem körperlich überlegenen Angreifer mutig Paroli in einem heftigen Duell, das sich mit bloßem Auge angesichts des Tempos dieses Zweikampfs nicht in den einzelnen Sequenzen verfolgen ließ. Erst durch die Serienaufnahmen der eingesetzten Kamera (Nikon Z 8), hier eingestellt auf 12 Bilder in der Sekunde, wurden die aktionsgeladenen Szenen am Luderplatz in allen Facetten sichtbar.
Das Duell der beiden Mäusebussarde dauerte übrigens nur 30 Sekunden und endete unentschieden. Anschließend flogen die zwei Rivalen davon.
Solche Kämpfe an Beuteplätzen sind durchaus nicht ungewöhnlich. Sie verlaufen aber – soweit bekannt – in der Regel unblutig und ohne Verletzungen.
Tipps für das Fotografieren von Bussarden aus dem Ansitz
Bussarde und alle anderen Greifvögel haben extrem scharfe Augen. Kleine Säuger können sie aus einer Entfernung von 2.000 Metern erkennen, größere Beutetiere wie ein Kaninchen sogar aus einer Distanz von 4.000 Metern. Und: Greifvögel sind sehr vorsichtig. Jede Veränderung der Umgebung wird registriert und als mögliche Gefahr eingestuft.
Für das erfolgreiche Beobachten und Fotografieren von Bussarden an einem Köderplatz gibt es deshalb einige klare Regeln:
- Der bequemste Ansitz nützt nichts, wenn er nicht perfekt getarnt ist.
- Das gilt ebenso für das Equipment. Aus dem Ansitz ragende ungetarnte Geräte – zum Beispiel Teleobjektive oder auch nur deren Gegenlichtblenden – verschrecken jeden Greifvogel. Insbesondere dann, wenn die Kamera mit dem Objektiv geschwenkt wird.
- Greifvögel können nicht nur hervorragend sehen, sondern auch gut hören. Deshalb: keine unnötigen Geräusche am Köderplatz! Kamera auf lautlose Auslösung einstellen!
- Besonders erfolgversprechend ist das Aufsuchen des Ansitzes in der morgendlichen Dunkelheit.
- Bei Helligkeit empfiehlt sich die wirksame „zwei minus eins“-Regel: Mit einer Begleitperson am Köderplatz erscheinen und diese Assistenzkraft dann nach Hause schicken. Die Bussarde registrieren den Weggang und vermuten, dass die Luft rein ist.
- Störungen der Raubvögel durch Bewegungen des Equipments lassen sich vermeiden, indem die Geräte aus der Ferne überwacht und gesteuert werden. Per Remote Control ist auch meine Serie „Duell der Bussarde“ entstanden. Der technische Aufwand ist beträchtlich, weil spezielle Hard- und Software benötigt wird, aber das Ergebnis überzeugt.
- Das Remote-Control-System funktioniert nur, wenn sich die Greifvögel an die nahe am Köderplatz aufgestellte, ferngesteuerte Kamera – die gut getarnt sein muss – gewöhnt haben. Dazu ist es erforderlich, dieses Equipment außerhalb der Aufnahmetage am exakt gleichen Standort durch eine Attrappe zu ersetzen.
Zugegeben: Der Aufwand für diese Art der Tierfotografie ist erheblich. Aber wenn man am Ende einer Sitzung mit spannenden Ergebnissen belohnt wird, sind die Strapazen bald vergessen.
Die Aufnahmen entstanden mit einer Nikon Z 8 und dem AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2,8G ED VR II (remote controlled). 1/2000 Sekunde Belichtungszeit bei Blende 5,6. ISO 2800-3600.