Der Holm von oben

Luftaufnahme der Fischersiedlung Holm in Schleswig an der Schlei. Das Bild entstand kurz nach Sonnenaufgang. An den Brücken sind die offenen Motorboote der Holmer Fischer zu erkennen.
Luftaufnahme der Fischersiedlung Holm in Schleswig an der Schlei. Das Bild entstand kurz nach Sonnenaufgang. An den Brücken sind die offenen Motorboote der Holmer Fischer zu erkennen. © Holger Rüdel

Wir schreiben das Jahr 1865, als der Schriftsteller Adelbert Baudissin den Stadtteil Holm im Osten von Schleswig besuchte. Sein Rundgang hinterließ bei ihm einen nachhaltigen Eindruck, wie sein Bericht dokumentiert:

Ein besonders interessanter Stadtteil ist der Holm, der nur von Fischern bewohnt wird und sich durch seine kleinen reinlichen Häuser und die riesigen Bewohner auszeichnet, von denen man nicht begreift, wie sie durch die niedrigen Türen in die kleinen Stübchen hineinkommen können, ohne mit der Stirn überall anzustoßen. Wer die hohen, wettergebräunten Männer in ihren „Südwestern“ und den langen wasserdichten Stiefeln, mit Netzen und Fischen schwer beladen, an’s Land steigen sieht, wird kaum gleichgültig vorübergehen, sondern vor Verwunderung stehenbleiben und die kräftigen, gutmütig aussehenden Gestalten wohlgefällig anstaunen.

Der Holm aus der Vogelperspektive

Aus der Ferne betrachtet – wie bei den Bildern dieses Beitrages aus der Vogelperspektive -, hat sich der Holm im Vergleich zu dem zitierten Reisebericht in den letzten gut 150 Jahren äußerlich kaum verändert. Noch immer durchziehen zwei Hauptstraßen die Siedlung von West nach Ost: die Norderholm- und die Süderholmstraße. Diese Bezeichnungen kamen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf. Vorher galt für beide Straßen der schlichte Name Holm. Den ältesten, bisher noch nicht gedeuteten Straßennamen trägt eine kurze Stichstraße zwischen Schleiufer und Friedhof: Fuß am Holm. Parallel dazu zweigt einen Steinwurf weiter östlich von der Süderholmstraße eine schmale Gasse ab, die jeder Holmer mit ihrem ursprünglichen Namen als Nienstadt kennt, die heute aber offiziell zur Süderholmstraße gerechnet wird.

Luftaufnahme der Fischersiedlung Holm in Schleswig an der Schlei. Das Bild entstand kurz nach Sonnenaufgang. An den Brücken sind die offenen Motorboote der Holmer Fischer zu erkennen.
Ein Blick aus 22 Metern Höhe: Luftaufnahme der Fischersiedlung Holm in Schleswig an der Schlei. Das Bild entstand kurz nach Sonnenaufgang. An den Brücken sind die offenen Motorboote der Holmer Fischer zu erkennen. © Holger Rüdel

Unverändert im Zentrum des Viertels, umschlossen von der Süderholmstraße, liegt weiterhin der nahezu kreisrunde, von Linden umsäumte Friedhof. Die Begräbnisstätte mit ihrer kleinen Kapelle stellt mehr dar als nur den geographischen Mittelpunkt der Siedlung. So wie in anderen Orten der Marktplatz, ist hier der Beerdigungsplatz der selbstverständliche Lebensmittelpunkt des Stadtteils. Holmbewohner nutzen den Friedhofszaun als täglichen Treffpunkt, Kinder spielen in unmittelbarer Nähe der letzten Ruhestätte ihrer Vorfahren – die ständige Erinnerung an das Jenseits nimmt dem Tod auf dem Holm viel von seinem Schrecken. 

Die Bezeichnung Holm stammt übrigens aus dem Dänischen und bedeutet „von Wasser umgeben“. Tatsächlich war die Siedlung bis 1933 eine Insel. Erst in diesem Jahr wurde im Zuge des Baus einer Kasernenanlage eine Landverbindung zur Außenwelt hergestellt. Diese Maßnahme ist der einzige bedeutsame Eingriff in die Topographie des Viertels in der neueren Zeit.  

Die Fischersiedlung ist heute Nostalgie 

Was sich in den vergangenen Jahrzehnten allerdings dramatisch verändert hat, ist die Bevölkerungsstruktur des Holms. Gut 120 Fischer gab es hier noch um das Jahr 1900. Sie prägten das Leben in dem Stadtteil, so dass man zu Recht von einer Fischersiedlung sprechen konnte. Die farbenreiche Schilderung Baudissins ist dafür ein deutlicher Beleg.

Inzwischen sind auf dem Holm nur noch fünf Fischer hauptberuflich aktiv. „Fischersiedlung“ ist insofern für den Holm von heute ein nostalgischer Begriff. 

Luftaufnahme der Fischersiedlung Holm in Schleswig an der Schlei. Das Bild entstand kurz nach Sonnenaufgang. An den Brücken sind die offenen Motorboote der Holmer Fischer zu erkennen.
Luftaufnahme der Uferzone der Fischersiedlung Holm in Schleswig an der Schlei mit dem Blick nach Osten aus 15 Metern Höhe. Das Bild entstand kurz nach Sonnenaufgang. An den Brücken sind die offenen Motorboote der Holmer Fischer zu erkennen. Versteckt hinter hohen Bäumen liegt das St.-Johannis-Kloster, ein adliges Damenstift. © Holger Rüdel

Bevor womöglich auch das Wissen um die letzten Fischer vom Holm verloren geht, dokumentiere ich ihr Arbeitsleben zu Wasser und zu Land in meiner im Mai 2019 begonnenen Langzeit-Bilddokumentation „Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei“.

Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft des schleswig-holsteinischen Umwelt- und Fischereiministers Jan Philipp Albrecht. 

 

Die Aufnahmen in diesem Beitrag entstanden mit einer Hasselblad L1D-20c (DJI Mavic 2 Pro). Drucke der Luftbilder in FineArt-Qualität können hier bestellt werden: shop.holger-ruedel.de

 

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