Die Holmer Fischerzunft
Nicht erst heute – schon in der Vergangenheit mussten die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei um ihre Existenz kämpfen.
Vor 300 Jahren zum Beispiel litten die Schleswiger Fischer massiv unter den Übergriffen der adligen Gutsbesitzer, der sogenannten „Schleijunker“. Diese stellten mitten in der Schlei illegal Heringszäune und Pfähle auf, machten den Fischern das verbriefte Recht auf freie Uferbenutzung streitig und hinderten die Holmer oft mit Gewalt daran, auf ihren Ländereien die Netze zu trocknen und das Nachtlager aufzuschlagen. Vielfach nahmen sie den Fischern auch den gesamten Fang ab.
Fischergesellschaft und Fischerzunft
Zum Schutz vor all diesen Bedrohungen ihrer Existenz schlossen sich die Holmer Fischer 1765 zu einer Fischergesellschaft zusammen, aus der später die Fischerzunft hervorging. Sie besteht noch heute als Interessengemeinschaft der Berufsfischer auf dem Holm. Und doch ist die Welt der Fischer in diesem kleinen Teil der Stadt Schleswig längst nicht mehr in Ordnung.
Wurden noch um das Jahr 1900 120 hauptberufliche Fischer auf dem Holm gezählt, waren es 90 Jahre später nicht einmal 20. Dennoch herrschte damals Optimismus: „In der Schlei sind heutzutage so viele Fische, dass wir sie gar nicht alle fangen können“, erklärte seinerzeit Harald Ross, der 1. Ältermann der Fischerzunft. „Es könnten sogar gut vier bis fünf Fischer mehr auf dem Holm sein“, ergänzte er.
Diese Zuversicht erfüllte sich indes nicht. Nur noch fünf Aktive sind heute neben drei Senioren in der Holmer Fischerzunft registriert. Und mehr denn je kämpfen diese wenigen Haupterwerbsfischer um ihre Existenz. Zwar mag sich die Wasserqualität in den vergangenen Jahren verbessert haben, aber die Nährstoffeinträge sind nach wie vor zu hoch, um der Schlei das Gütesiegel „gesundes Gewässer‘“ verleihen zu können.
Als neue, vor 30 Jahren kaum vorhersehbare Gefahr bedroht zudem der Klimawandel das komplexe, einzigartige Ökosystem der Schlei – und damit auch die Fischerei. Das massenhafte Auftauchen gefährlicher invasiver Arten wie Rippenquallen und Schwarzmundgrundeln ist Teil dieses unheilvollen Prozesses. Und dann gibt es – mehr denn je – die “schwarze Pest”, wie manche Fischer die Kormorane nicht eben liebevoll bezeichnen.
„Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei“
Meine Langzeit-Reportage begann im Frühjahr 2019 und endete im Dezember 2020. Weit über 10.000 Aufnahmen sind in diesem Zeitraum entstanden. Zusammengezählt zwei Wochen habe ich die Fischer auf dem Wasser begleitet und darüber hinaus etliche Stunden an Land.
Dabei hatte ich manche der Fotografien vor Augen, die ich vor 30 Jahren auf dem Holm gemacht habe, darunter das Gruppenbild der Fischerzunft im Herbst 1989. An fast der gleichen Stelle entstanden im Oktober 2020 die hier veröffentlichten Aufnahmen mit den Zunftmitgliedern in der aktuellen Besetzung.
Nicht immer, aber oft sagen Fotografien mehr als tausend Worte. Die Gruppenbilder von 2020 gehören in diese Kategorie. Sie zeigen im Vergleich zu der Aufnahme von 1989 schlaglichtartig, wie dramatisch es um die Berufsfischerei auf dem Holm personell bestellt ist.
Die Fotografien dokumentieren zugleich aber auch die Würde und den Stolz der Schleswiger Fischer. Sind sie die letzten Vertreter ihrer Art? Vielleicht reicht die Zeit, um eine Wende einzuleiten und das Überleben der Fischerei an der Schlei zu sichern. Die Zukunft wird es zeigen.
Jan Philipp Albrecht, der Umwelt- und Fischereiminister des Landes Schleswig-Holstein, ist Schirmherr dieses Projektes, das 2021 unter dem Titel “Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei” in zwei Ausstellungen – in Schwarzweiß und in Farbe – präsentiert wird. Eine begleitende Publikation mit 100 Fotografien erscheint Anfang April dieses Jahr.