Christian Ross – ein Fischer an der Schlei
Der Holm in Schleswig an der Schlei: Wo vor gut 100 Jahren noch über 120 Fischer aktiv waren, sind es heute nur noch fünf. Christian Ross ist einer von ihnen. Und der jüngste. Zusammen mit seinem Bruder Nils arbeitet er im Familienbetrieb seines Vaters Jörn Ross, der seit 2014 als 1. Ältermann die Geschicke der Holmer Fischerzunft leitet.
Die Geschichte der Fischerzunft ist mit dem Namen der Familie von Jörn Ross eng verbunden. Schon lange vor dem Gründungsjahr 1765 dieser Berufsvereinigung lebten und fischten seine Vorfahren an der Schlei. Unvergessen ist sein Vater Harald Ross (1940-2014), der ebenfalls das Amt des 1. Ältermanns ausübte.
In dem Familienbetrieb von Jörn Ross gibt es eine klare Arbeitsteilung: Christian Ross fischt am liebsten auf der Ostsee, während Vater Jörn und Bruder Nils die Schlei als Revier bevorzugen. Unter den Holmer Fischern ist Christian Ross damit aktuell der einzige, der zum Fischfang auf die Ostsee hinausfährt. Diese Fahrten starten im Hafen von Kappeln, wo der familieneigene Kutter „Schle 26“ – auch „Filius“ genannt – seinen Stammplatz hat.
Christian Ross: Mit dem Kutter „Schle 26“ allein auf der Ostsee
Christian Ross ist meistens ganz allein auf hoher See unterwegs. Das deutsche Schiffsrecht erlaubt solche Ein-Mann-Besatzungen bei Schiffen mit einer Länge unterhalb von 12 Metern. Die „Schle 26“ misst exakt 11,54 Meter. Wenn es lohnenswert erscheint, führen manche Fischzüge über die westliche Ostsee hinaus, mitunter sogar bis nach Bornholm.
Bei einer Maschinenleistung von lediglich 150 PS ist das eine beachtliche Herausforderung für das Schiff, aber auch für die Motivation des Steuermanns. 10 bis 15 Tage verbringt Christian Ross dann auf der Ostsee einschließlich Hin- und Rückfahrt, nur unterbrochen durch das zwischenzeitliche Entladen der Fänge und den Einkauf von Proviant in Häfen entlang der deutschen und dänischen Ostseeküste.
Als ich Christian Ross im Hafen von Kappeln besuchte, um ihn bei der Arbeit an seinem Schiff zu fotografieren, sprachen wir über die immer größeren Hürden für eine ertragreiche Kutterfischerei auf der Ostsee. „Das fängt bei der Investition für unser Schiff an“, erklärte er. „Ein neuer Kutter kostet ungefähr eine Million Euro. Wer bekommt als Kleinfischer heute schon einen Kredit über eine solche Summe? Und dann sind da regelmäßige Ausgaben für die Wartung und die Sicherheit des Schiffes. Wir mussten jetzt nach 10 Jahren wieder den gesetzlich vorgeschriebenen Krängungstest durchführen lassen; der kostet uns an die 6.000 Euro.“ „Und dann“, ergänzt er, „war dieses neue Schleppnetz fällig, das ich gerade montiere. Mal eben 4.000 Euro.“
Hohe Ausgaben, aber sinkende Erträge durch weiter reduzierte Fangquoten sowie Absatzprobleme aufgrund der COVID-19-Pandemie: Die Aussichten für das Fischen auf der Ostsee sind düster. Doch Christian Ross hat seinen Optimismus und die Leidenschaft für seinen Beruf bewahrt. Ihn motiviert, was sein Kollege Matthias Nanz kürzlich einmal folgendermaßen formulierte: „Das Schönste ist das Alleinsein auf dem Wasser.“
Die Aufnahmen entstanden im Rahmen der Bildreportage “Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei”. Jan Philipp Albrecht, der Umwelt- und Fischereiminister des Landes Schleswig-Holstein, ist Schirmherr dieses Projektes, das 2021 in zwei Ausstellungen gezeigt wird.