Die Fischerfamilie Ross auf dem Holm
Seit über einem Jahr begleite ich mit Matthias Nanz einen der letzten, aber nicht den einzigen Haupterwerbsfischer vom Holm in Schleswig an der Schlei. Deshalb sollen auch einmal seine vier aktiven Kollegen vorgestellt werden.
Von der Fischergesellschaft zur Fischerzunft
Rückblende: Der 17. Februar 2015 war ein großer Tag für die Fischer in Schleswig: Die Holmer Fischerzunft, der Zusammenschluss der ortsansässigen Berufsfischer im Osten der Schleistadt mit ihrem Ältermann Jörn Ross an der Spitze, feierte ihren 250. Geburtstag. Dabei gab es schon viel früher, seit dem Mittelalter, Fischer auf dem Holm. Sie bilden wahrscheinlich die älteste Berufsgruppe in Schleswig.
Die Fischer haben das Recht, frei zu fischen auf der ganzen Schlei, und können ihre Netze zum Trocknen auf dem Lande ausspannen, so weit sie mit der Ruderpinne vom Schiffe aus werfen können.
Mit diesem Satz fand die Existenzgrundlage der Bewohner des Holms bereits im frühesten Schleswiger Stadtrecht Erwähnung. Im Jahr 1480 wurden die Rechte der Fischer im heute noch gültigen „Schleibrief“ vom dänischen König Christian I. bestätigt. Auf dieses Privileg konnten sich allerdings alle Einwohner der Stadt berufen, so dass die Nebenerwerbsfischerei zu Lasten der Holmer Berufsfischer immer mehr zunahm. Zum Schutz vor den lästigen „Hobbyfischern“ schlossen sich die Berufsfischer 1765 zu einer Fischergesellschaft zusammen. Damit war der Grundstein für die spätere Fischerzunft gelegt.
Harald und Jörn Ross – Ältermänner der Holmer Fischerzunft
Die Geschichte der Holmer Fischerzunft ist mit dem Namen der Familie von Jörn Ross eng verbunden. Schon lange vor dem Gründungsjahr 1765 lebten und fischten seine Vorfahren an der Schlei. Unvergessen ist sein Vater Harald Ross (1940-2014), der viele Jahre als 1. Ältermann die Geschicke der Zunft leitete und zu den bekanntesten Persönlichkeiten im Norden Schleswig-Holsteins zählte. In einem Nachruf schrieben die „Schleswiger Nachrichten“:
Kein Holmer Fischer war öffentlich so präsent wie Harald Ross. In seinem Blaumann und den hohen Gummistiefeln war er der typische Vertreter seiner Zunft. In nahezu jedem Bildband über Schleswig und den Holm gibt es mindestens ein Foto von ihm. Und da er so unterhaltsam erzählen konnte, ist auch das Fernsehen eines Tages auf ihn aufmerksam geworden. Ross nutzte seine Medienpräsenz, um auf die Probleme der Fischer aufmerksam zu machen. Die Kormoranplage, neue Fischereirichtlinien, der Zustand der Schlei – überall mischte er sich fachkundig ein, wenn er das Gefühl hatte, sich einmischen zu müssen.
Von seinem Vater übernahm Fischermeister Jörn Ross das Amt des 1. Ältermannes. Damit ist er „Chef“ von gegenwärtig fünf aktiven Holmer Fischern und einigen Kollegen, die als Rentner weiterhin dazugehören. Wie sein Vater ist Jörn Ross kein Mensch, der lange um den heißen Brei herumredet. Seine Ansagen sind Holm-typisch: knapp und kernig, natürlich vorzugsweise auf Plattdeutsch, und gewürzt mit einem trockenen Humor.
Der Familienbetrieb Ross
Jörn Ross hat zwei Söhne, Nils und Christian, die ihn als ausgebildete Fischer in seinem Betrieb unterstützen und diesen später übernehmen werden. Die Mitwirkung der beiden Jungfischer ist hochwillkommen, denn der Aktionsradius beschränkt sich schon lange nicht mehr ausschließlich auf die Schlei. Je nach Saison fahren sie mit einem Kutter von Kappeln auf die Ostsee hinaus, wo andere Bestände und größere Fänge zu erwarten sind. „Obwohl ihnen da draußen auch die Konkurrenz aus dem Ausland und die Quotenregelung der EU das Leben schwer machen, gibt es für Familie Ross nur einen Traumberuf, den des Fischers“, fasste der Norddeutsche Rundfunk ein Gespräch mit der Familie in einem TV-Bericht zusammen.
Das hier gezeichnete Bild der Fischerfamilie Ross wäre unvollständig ohne die Erwähnung von Sabine Ross. Als Ehefrau von Jörn ist sie nicht nur für Haus und Hof zuständig, sondern auch eine wichtige Stütze beim Verkauf der Fische. So wird man zum Beispiel von der „Chefin“ persönlich bedient, wenn man am Schleswiger Stadthafen den Fisch des Tages aus dem Boot von Jörn Ross kauft.
Die Aufnahmen entstanden im Rahmen der Bildreportage “Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei”. Jan Philipp Albrecht, der Umwelt- und Fischereiminister des Landes Schleswig-Holstein, ist Schirmherr dieses Projektes, das 2021 in zwei Ausstellungen gezeigt wird.
In einem Folgebeitrag geht es um den „Museumsfischer“ Jörg Nadler, einen weiteren Kollegen von Matthias Nanz.