Zum Inhalt springen

Holger Rüdel

  • BLOG
  • PORTFOLIOErweitern
    • Landschaften
    • Tiere
    • Infrarot
    • BildreportagenErweitern
      • Yellowstone im Winter
      • Projekt Kitzrettung
      • Nomaden unserer Zeit. Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein
      • Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei
      • Szenen einer Jagd
      • Food-Fotografie
      • Bürgerkrieg in Nordirland
      • Kinderladen versus Kindergarten
    • History
  • AUSSTELLUNGENErweitern
    • Yellowstone im Winter
    • Nomaden unserer Zeit. Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein
    • Zeitenwende. Fischer an Schlei und Schweriner See
    • Tierisch
    • Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei
    • Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert
    • Island 2019
    • Letter To My Friends
    • Zeitblende. 1968 bis 2018
    • Die innere Haut – Kunst und Scham
    • Schamlos? Sexualmoral im Wandel
  • PUBLIKATIONEN
  • ÜBER MICH
FineArt-Angebot
Holger Rüdel
FineArt-Angebot
Home » BLOG » Revolution der Erziehung – oder Revolution durch Erziehung?
Zeitgeschichte

Revolution der Erziehung – oder Revolution durch Erziehung?

VonJulia Katharina Molina Galindo 12. September 201916. Januar 2025 Aktualisiert am16. Januar 2025 Lesezeit: 5 Minuten
Szene aus einem von Studenten gegründeten Kinderladen in Kiel 1970. Die Kinderläden, die um 1970 flächendeckend in Westdeutschland existierten, waren ein Ergebnis der 68er-Bewegung mit ihrer Forderung nach antiautoritärer Erziehung.
Szene aus einem von Studenten gegründeten Kinderladen in Kiel 1970. Die Kinderläden, die um 1970 flächendeckend in Westdeutschland existierten, waren ein Ergebnis der 68er-Bewegung mit ihrer Forderung nach antiautoritärer Erziehung. © Holger Rüdel

Vorwort

Aufnahmen aus meiner Bildserie „Antiautoritärer Kinderladen versus evangelischer Kindergarten 1970“ sind schon mehrfach veröffentlicht, in Ausstellungen gezeigt und zeitgeschichtlich bzw. erziehungswissenschaftlich analysiert worden. In einer wissenschaftlichen Hausarbeit befasste sich die Hildesheimer Studentin Julia Katharina Molina Galindo jetzt erstmals intensiv mit einem bisher weniger beachteten Einzelmotiv aus der Reportage. Ich habe die Autorin eingeladen, eine Zusammenfassung ihrer Betrachtung hier als Gastbeitrag zu veröffentlichen. 

Holger Rüdel

Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Revolution der Erziehung – oder Revolution durch Erziehung? 
    • Die Entstehung der Kinderläden Ende der 1960er Jahre
    • Kinderläden – ein Mythos?
    • Die Botschaft des Bildes 
  • Fazit


Revolution der Erziehung – oder Revolution durch Erziehung? 

These Nr. 1: „Erziehung sorgt nur dafür, dass die Gesellschaft so bleibt, wie sie ist.“ Dagegen These Nr. 2: „Erziehung ist ein Ort von Revolution.“

Was davon stimmt? Was kann Erziehung leisten und was nicht? Das obenstehende Foto, aufgenommen von Holger Rüdel 1970, setzt jedenfalls eindeutig „Revolution“ mit einem Kind in Beziehung. Um darüber nachzudenken, wie dieses Foto verstanden werden könnte, ist es wichtig, den Kontext zu kennen.

Die Entstehung der Kinderläden Ende der 1960er Jahre

Das Foto wurde 1970 in einem sogenannten „Kinderladen“ in Kiel geschossen und ist Teil der Fotoserie „Kinderladen versus Kindergarten“, mittels derer der Fotograf markante Unterschiede im pädagogischen Konzept dieser zwei Betreuungseinrichtungen aufzeigen wollte. Die Kinderläden entstanden im Rahmen der sogenannten „68er“, jener kulturpolitischen und sozialen Protestbewegung, welche in Deutschland in den 60er-Jahren ihren Ausgang fand.

Sie umfasste vielfältige Strömungen unter der ihr zugeschriebenen Chiffre „68“, so auch, neben den populären Studierendenprotesten um Rudi Dutschke, die „Kinderladen-Bewegung“, entstanden in Zusammenhang mit der emanzipatorischen Frauenbewegung in Berlin und Frankfurt. Vor allem junge Akademikerinnen und Studentinnen gründeten aus dem Mangel an und der miserablen Qualität von vorhandenen Kindergärten in alten Ladengeschäften der Großstädte selbstverwaltete Betreuungseinrichtungen, die sogenannten „Kinderläden“. Kinder sollten dort betreut werden, damit ihre Mütter arbeiten und studieren konnten und nicht mehr abhängig waren vom Ehemann, der im konservativen Familienbild der 50er Jahre als Alleinernäher der Familie galt.

Deswegen wurden Kinderläden als Teil der kulturpolitischen Erneuerung konservativer Rollen-, Geschlechter- und Erziehungsauffassungen verstanden, denn das Private – so der emblematische Satz Helke Sanders, Ikone der Frauenbewegung –  sei politisch. Sie wollten da ansetzen, wo in ihren Augen „veraltete“ soziale Werte und Praktiken der konservativen Nachkriegsgesellschaft weitergegeben wurden, nämlich in der Erziehung der Kinder. Diese sollten in Abgrenzung zum Nationalsozialismus nicht mehr zum „Duckmäusertum“, zu autoritätsgläubigen Menschen erzogen werden, sondern eben „antiautoritär“, zu selbstdenkenden, kritischen und freien Persönlichkeiten.

Kinderläden – ein Mythos?

Daraus entstand in der Öffentlichkeit schnell ein Mythos. Einerseits, weil der antiautoritäre Protest verschiedenster Ausrichtung, ob in psychoanalytischer, sexualrevolutionärer, sozialistischer oder antinazistischer Hinsicht, dort reale Anwendung fand. Andererseits, weil die antiautoritären Praktiken in diesen Kinderläden, 1969 öffentlichkeitswirksam präsentiert durch Gerhard Botts Dokumentarfilm „Erziehung zum Ungehorsam“, von konservativer Seite als abartig und bedrohlich dargestellt wurden, als Anstalten des Sitten-und Moralverfalls. Den oft politisch orientierten Eltern wurde vorgeworfen, nicht nur die Erziehung revolutionieren zu wollen, sondern die Revolution gerade durch die veränderte Erziehung herbeizuführen.

Die Botschaft des Bildes 

Vor diesem Hintergrund erscheint die obenstehende Fotografie als starkes, pädagogisches Symbol, weil sie transportiert, dass Erziehung nicht nur Ort von gesellschaftspolitischer Revolution sein kann, wie sich mit den Kinderläden bewies, sondern dass Erziehung gleichzeitig selbst revolutionär wirken kann. Zum Beispiel, weil Kinder sich frei entfalten konnten und bekritzelte Wände, wie auf dem Foto zu sehen, Ausdruck einer Kinderrevolution waren, bei der sich Kinder aus der autoritären Vorherrschaft und Verbotskultur der Erwachsenen befreiten. Einige sahen darin Anarchie und Verfall, andere Stärke und Selbstbemächtigung. Die Botschaft bleibt also ambivalent und mehrdeutig.

Gleichzeitig zeigt sich aber auch ein paradoxer Gegensatz im Bild. Während der Hintergrund wild und chaotisch erscheint, Adjektive, die in der Öffentlichkeit immer wieder diffamierend für die angeblichen „Gammler“ der Studierendenrevolte benutzt wurden, wirkt das Kind fast gewaltsam in diesen Kontext gestellt. Das ängstlich erschrockene Gesicht des kleinen Kindes, seine aufgerissenen Augen und der offene Mund, könnten zur Interpretation führen, dass hier ein „unschuldiges Kind“ für die Zwecke einer Studierendenrevolte politisch instrumentalisiert wird. Besonders die Gitterstäbe, Objekt der Assoziation mit einem Gefängnis, lassen zu, dass sich der/die Betrachter*in fragen könnte, ob hier ein Kind in eine Einrichtung eingesperrt wird, bei der es quasi zur Gallionsfigur einer selbstbenannten „Revolution“ wird.

Außerdem wirkt die Perspektive von draußen fast investigativ, so, als ob der Fotograf in die chaotischen Vorgänge in diesen Kinderläden plötzlich eindringen und diese quasi aufdecken würde. Nicht wenige warfen den Kinderläden schließlich Verwahrlosung bis Misshandlung der Kinder vor. Während die Botschaft der antiautoritären Erziehung ja gerade Selbstbemächtigung gegen Autoritäten, kindliches Selbstbewusstsein und Freiheit war, wirkt das Kind in dieser Szene aber teilweise wie ein Opfer. Opfer des Fotografen, auf den es ängstlich oder erschrocken blickt, und möglicherweise Opfer einer „Revolution“, in der es, übertrieben gesagt, zum „Versuchskaninchen“ wurde.

Damit könnte den Vorwürfen Rechnung getragen werden, die antiautoritäre Erziehung instrumentalisiere die Kinder für die politische Revolte, sie übe also genau jene Autoritätsmacht über die Kinder aus, die sie gerade suchte, abzuschaffen.

Fazit

Mein Fazit dieser kurzen Bildanalyse lautet: Die Fotografie wirft viele Fragen nach dem historischen sowie pädagogischen Zusammenhang auf, fordert zum Nachdenken heraus und lässt unterschiedliche Deutungen zu, je nach verwendetem Kontext und je nach Betrachter*in. Das macht das Bild aus meiner Sicht besonders spannend.

Der französische Fotograf Henri Cartier-Bresson sagte einmal: ‚Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.‘ Das ist bei dem Kinderladen-Motiv von 1970 mit Sicherheit der Fall.

Julia Katharina Molina Galindo
Julia Katharina Molina Galindo

Ich studiere im Master Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt "Pädagogik der Kindheit" an der Universität Hildesheim und habe mich im Rahmen einer Vorlesung zum 50-jährigen Jubiläum der sogenannten „68er-Bewegung“ 2018 besonders mit der „Antiautoritären Erziehung“ und der „Kinderladen-Bewegung“ auseinandergesetzt.

Auch interessant:

Rocker mit Hells-Angels-Abzeichen 1971

Steve McCurry - Bildreportagen mit humanistischem Engagement

Remember Bloody Sunday - der Bürgerkrieg in Nordirland

Antiautoritärer Kinderladen Kiel 1970 in Farbe

Bilder bestellen im Online-Shop

Über 500 Motive auf diesen Seiten sind als FineArt-Drucke in vielen Ausführungen hier erhältlich: shop.holger-ruedel.de

Angebot: FineArt-Prints "Zeitblende"

Einzelexemplare aus der Ausstellung "Zeitblende" von Holger Rüdel zum Sonderpreis
  • FineArt-Prints im Format A3+ in bester Museumsqualität
  • Papieroberfläche Seidenglanz/Silver Gloss White
  • Im Passepartout mit dem Außenformat 50 x 60 cm
  • Sonderpreis je Bild: 59,00 €

Hier geht's zur Übersicht der verfügbaren Motive: FineArt-Prints "Zeitblende"

Angebot: Ausstellungsdrucke "Yellowstone im Winter"

Die Exponate aus der Ausstellung "Yellowstone im Winter " von Holger Rüdel zum Sonderpreis
  • Drucke auf Fujicolor Professional Paper mit weißem Rand
  • Oberfläche glänzend. Grammatur 225 g/m²
  • Außenformate: 40 x 50 cm bzw. 60 x 80 cm
  • Sonderpreis je Bild: 29,00 € (40 x 50 cm) bzw. 49,00 € (60 x 80 cm)

Hier geht's zur Übersicht der verfügbaren Motive: Ausstellungsdrucke "Yellowstone im Winter"

Beitrags-Navigation

Zurück Zurück
Matthias Nanz – ein Fischer an der Schlei: Jagd auf Aale
WeiterWeiter
„Zeitblende“ in Berlin: „Akteur und Beobachter zeigt bewegten Alltag“

Herzlich willkommen!

Holger Rüdel Foto: Peter Rathmann

Ich bin Fotograf und Foto-Kurator mit langjährigen professionellen Erfahrungen. Als Fachautor schreibe ich über eine Vielzahl fotografischer Themen.
Weiterlesen …

Suchen

Kategorien

Neueste Beiträge

  • Nymphen der Riesenwanze, frisch aus Eiern geschlüpft. Indem sie in einer engen Gruppe bleiben, verstärken die Nymphen die Wirksamkeit ihrer auffälligen Abwehrfärbung, um potenzielle Fressfeinde abzuwehren.
    Europäischer Naturfotograf des Jahres 202414. Mai 2025
  • Hammershus auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm ist die größte Burgruine in Nordeuropa. Die Festung wurde im frühen 13. Jahrhundert errichtet und war lange Zeit Sitz dänischer Könige.
    Hammershus. Die größte Festungsruine Nordeuropas24. April 2025
  • Aus der Ausstellung "Im Spielball der Gezeiten" von Martin Stock, zu sehen in der Nord-Ostsee Sparkasse (nos.FOTOMENTA) 2025.
    Im Spielball der Gezeiten. Fotografien von Martin Stock in der nos.FOTOMENTA4. April 2025

Fragen? Wir helfen gerne weiter.

Informiert bleiben mit unserem Newsletter! Hier abonnieren:

Kontakt

Holger Rüdel DGPh
Mühlenweg 3 a
24884 Selk
Germany
Telefon: +49 4621 200858
Telefax: +49 4621 200859
E-Mail: photo@holger-ruedel.de

  • HOME
  • BLOG
  • PORTFOLIO
  • AUSSTELLUNGEN
  • PUBLIKATIONEN
  • ÜBER MICH
  • FINEART-SHOP
  • DATENSCHUTZ
  • IMPRESSUM
  • SITEMAP

© 2025 Holger Rüdel

Cookie-Zustimmung verwalten
Wir verwenden Cookies, um unsere Website und unseren Service zu optimieren.
Funktional Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt. Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.
Optionen verwalten Dienste verwalten Verwalten von {vendor_count}-Lieferanten Lese mehr über diese Zwecke
Einstellungen anzeigen
{title} {title} {title}
Nach oben scrollen
  • BLOG
  • PORTFOLIO
    • Landschaften
    • Tiere
    • Infrarot
    • Bildreportagen
      • Yellowstone im Winter
      • Projekt Kitzrettung
      • Nomaden unserer Zeit. Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein
      • Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei
      • Szenen einer Jagd
      • Food-Fotografie
      • Bürgerkrieg in Nordirland
      • Kinderladen versus Kindergarten
    • History
  • AUSSTELLUNGEN
    • Yellowstone im Winter
    • Nomaden unserer Zeit. Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein
    • Zeitenwende. Fischer an Schlei und Schweriner See
    • Tierisch
    • Zeitenwende. Die Fischer vom Holm in Schleswig an der Schlei
    • Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert
    • Island 2019
    • Letter To My Friends
    • Zeitblende. 1968 bis 2018
    • Die innere Haut – Kunst und Scham
    • Schamlos? Sexualmoral im Wandel
  • PUBLIKATIONEN
  • ÜBER MICH
Suchen