Matthias Nanz – ein Fischer an der Schlei: Jagd auf Aale
Um 1970 vollzog sich ein tiefgreifender Strukturwandel in der Schleswiger Fischersiedlung Holm im Osten der Stadt: Die Fischerei mit großen Netzen, den Waden, bei der acht Fischer in einem langen Boot kooperierten, wurde aufgegeben. Seitdem individualisierte sich die Fischerei. Jeder Angehörige der Holmer Fischerzunft arbeitet heute auf eigene Rechnung und fast ausschließlich allein in kleinen Booten.
Mit ihren jahrhundertealten Traditionen lebt die ursprünglich kollektive Fischerei nur noch in den Erzählungen älterer Fischer und einigen Erinnerungsstücken fort, wie sie zum Beispiel das Schleswiger Stadtmuseum aufbewahrt.
Matthias Nanz – einer der letzten Fischer auf dem Holm in Schleswig
Vor 30 Jahren bin ich dem Schleifischer Matthias Nanz erstmals begegnet. Damals fischte er mit seinem Vater Adolf Nanz in einer familiären Bootsgemeinschaft. Die Familie Nanz repräsentiert eine jahrhundertelange Fischertradition.
Matthias Nanz ist einer der letzten Vertreter seiner Zunft auf dem Holm. Gut 120 Fischer lebten hier noch um das Jahr 1900. Inzwischen sind es nicht einmal zehn. Die Berufsfischerei in Schleswig und an der Schlei nähert sich scheinbar unaufhaltsam ihrem Ende.
Die Gründe sind vielfältig. Neben dem fehlenden Nachwuchs für den Fischerberuf stellt die enorme Population an Kormoranen das vielleicht größte Problem dar. „Sie gelten weiterhin als gefährdete Art. Aber es gibt inzwischen so viele von ihnen, dass wir in der Schlei kaum noch marktfähige Fische fangen“, klagte Schleifischer Jörn Ross 2017 in einem Gespräch mit der örtlichen Zeitung. „Es wird nichts mehr groß“, ergänzte er. „Ich habe seit drei Jahren keinen Zander mehr gefangen, den ich verkaufen konnte.“
Aale – das „Gold der Schlei“?
Ertragreicher ist zum Glück wieder die sommerliche Jagd auf Aale, früher als das „Gold der Schlei“ bezeichnet. In den letzten Jahrzehnten wurden die Bestände allerdings stark dezimiert. Seitdem zählt der Aal in Europa zu den bedrohten Tierarten. Es wird geschätzt, dass das Vorkommen europaweit um 90 Prozent zurückgegangen ist.
Um gegenzusteuern, erließ die EU 2007 eine Aalverordnung. Seit 2009 werden die Aalbestände auch in Schleswig-Holstein nach detaillierten Managementplänen bewirtschaftet. Im Zuge dieser Vorgaben entlassen die ortsansässigen Fischer und andere Unterstützer seit nunmehr zehn Jahren Massen kleiner Aale in die Schlei. Beim letzten „Aalutsetten“ Anfang August 2019 waren es 150.000 Stück.
Naturschützer kritisieren das Aussetzen von Aalen. Damit würde sich der Bestand nicht automatisch erhöhen, behauptet der NABU. Dagegen meint Matthias Nanz: „Der Aalbesatz wirkt sich positiv für uns Fischer aus. Ohne Besatz würde sich die Aalfischerei nicht mehr lohnen.“
Die Jagd auf Aale in der Schlei
An einem frühsommerlichen Tag Ende Mai 2019 begleite ich Matthias Nanz bei seiner Jagd auf Aale. Wir starten im Schleidorf Missunde, wo sein offenes Boot beheimatet ist. In dem randvoll mit Fanggeräten und diversen Behältnissen beladenen kleinen Wasserfahrzeug führt die Fahrt bei Sonnenaufgang in die nahegelegene Große Breite der Schlei.
Hier befinden sich die Fanggründe für Aale, den wichtigsten Beutefisch in der warmen Jahreszeit. Zielsicher steuert Matthias Nanz auf die Reusenbojen zu, die mit ihren schwarzen Wimpeln den Standort seiner verstreut in der Großen Breite ausgelegten Aalreusen markieren. Eine Reuse misst etwa acht bis zehn Meter. 10 bis 12 Doppelreusen werden zu einer großen Reuse zusammengeknotet.
Das Hochziehen dieser extrem langen Großreusen erfolgt per Muskelkraft. Eine maschinelle Unterstützung gibt es nicht an Bord. Der Lohn für diese schwere körperliche Arbeit ist überschaubar: Manchmal sind etliche Aale in einer Reuse, oft aber nur einige wenige und nicht selten gar kein Fisch. Gelegentlich gibt es Beifänge: Barsche zum Beispiel und Edelkrebse, die lebend zurückgesetzt werden.
Schon an Bord sortiert Matthias Nanz die Aale nach Größen. Untermaßige erhalten wieder ihre Freiheit, die anderen kommen in verschiedene Tonnen zur Lebendhälterung – eine wichtige Voraussetzung für den Verkauf frischer Fische.
Als wir nach acht Stunden auf dem Wasser in Missunde anlegen, wartet dort schon ein Großhändler, um den Fang zu übernehmen. Mit dem Erlös, so scheint es, ist Matthias Nanz dieses Mal zufrieden. Aber längst nicht an allen Tagen reicht der Ertrag. Und dann naht die kältere Jahreszeit, in der Wind und Wetter oft keine Fangfahrten erlauben.
Um dieses Thema geht es im nächsten Beitrag der Reportage über den Schleifischer Matthias Nanz.
Die Bilder entstanden mit einer Fujifilm X-Pro2 und den Fujinon-Objektiven XF 16 mm F1,4 R WR, XF 35 mm F2 R WR sowie XF 18-55mm F2,8-4 R LM OIS.
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