Rocker mit Hells-Angels-Abzeichen 1971
Die Großrazzien gegen Hells Angels und andere Rockergruppen in jüngster Zeit rufen Erinnerungen wach: Im April 1971, ich war als junger Student gerade nach Hamburg gezogen, schlenderte ich mit einer unscheinbaren Leica III f durch das Zentrum der Hansestadt – auf der Suche nach spannenden Motiven in den Straßen der Elbmetropole. „Street Photography“ lautet der Begriff für dieses fotografische Genre.
Ich wusste: Am Mönckebergbrunnen triffst du immer interessante Typen. Und ich hatte Glück. Am Rand des Brunnens saßen in schwarzes Leder gehüllte Rocker und tranken Bier – eigentlich nichts Ungewöhnliches, aber hier handelte es sich laut ihren Abzeichen um Mitglieder der Hells Angels. Dieser berühmt-berüchtigte Motorradclub war 1948 in den USA gegründet worden und seit 1969 auch in Europa aktiv.
Hells Angels am Mönckebergbrunnen im April 1971?
Hells Angels in Hamburg – ein überraschendes Bild zu dieser Zeit. Und eine Szene, die ich unbedingt fotografieren wollte. Nicht versteckt oder im Vorbeigehen, das hätte gefährlich werden können, sondern mit offenem Visier.
Also ging ich zu der Gruppe und erklärte, was ich im Schilde führte. Als „Gage“ versprach ich, den ersten belichteten Film herauszugeben. Die Rocker waren einverstanden. Nach den ersten 36 Schüssen – den Film hatte ich inzwischen dem Wortführer der Gruppe ausgehändigt – wurde die zunächst angespannte Situation lockerer. Und man nahm mich als Fotograf kaum noch wahr.
So entstanden meine Fotos vom Mönckebergbrunnen 1971 und bildeten – wie ich bis vor kurzem annahm – Momentaufnahmen aus den Anfangsjahren der Hells-Angels-Bewegung in Deutschland.
Zeitzeuge „Rocker-Pastor“ Wolfgang Weißbach
Inzwischen weiß ich aufgrund von Zeitzeugen (mein Dank gilt vor allem Wolfgang Weißbach, dem früheren „Rocker-Pastor“ aus Hamburg): Die von mir fotografierten Rocker gehörten zwar zumindest teilweise zu einer gefährlichen kriminellen Gang, die damals auf der Straße und in der U-Bahn ihr Unwesen trieb und Menschen brutal beraubte, aber sie waren keine „echten“ Hells Angels. Die Abzeichen hatten sie sich aus T-Shirts ausgeschnitten und auf ihre Lederjacken geklebt – sicher eine Einschüchterungstaktik, um in der Öffentlichkeit besonders martialisch aufzutreten.
Mit diesem Hells-Angels-Plagiat war 1973 Schluss, als die erste „richtige“ Gruppe des US-Motorradclubs in Hamburg gegründet wurde. Deren Mitglieder achteten streng darauf, dass ihre Abzeichen von niemand anderem getragen wurden. Ein Verstoß gegen dieses ungeschriebene Gesetz hätte für die Betroffenen sehr ungemütlich werden können.