Matthias Nanz – ein Fischer an der Schlei: Herbst und Winter. Teil 3
Auch der 12. Dezember 2019 ist ein nasskalter Wintertag – fast so ungemütlich wie vor vier Wochen im November, als ich den Schleifischer Matthias „Ducki“ Nanz zuletzt beim Fischen auf der Großen Breite begleitete.
Vom Klimawandel bedroht: Heringe – das „Silber der Meere“
Jetzt fahren wir von Missunde in die andere Richtung. Etwa in Höhe des Schleidorfes Ulsnis, wenige Seemeilen östlich von Missunde, hat der Schleswiger Fischwirtschaftsmeister Heringsnetze ausgelegt. Eigentlich ist das Frühjahr die Herings-Hauptsaison, doch im Herbst ziehen erneut große Schwärme des „Silbers der Meere“, wie der Atlantische Hering (Clupea harengus) gern bezeichnet wird, zum Laichen in die Schlei.
Der Hering ist einer der häufigsten Fische der Welt und seit Menschengedenken auch einer der bedeutendsten Speisefische. Und für die Schleifischer ist er neben dem Aal seit jeher der „Brot- und Butterfisch“. Früher galt der Hering als „Arme-Leute-Essen“, weil er in enormen Mengen an den Küsten auftauchte. Heute ist der Bestand in der westlichen Ostsee nach einer Untersuchung des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) stark geschrumpft. Der Grund für diese Entwicklung ist nicht Überfischung, sondern der Klimawandel. Die Heringsschwärme fliehen vor steigenden Temperaturen in kältere Gewässer. Erstmals belegen die wissenschaftlichen Daten einen ganz konkreten Zusammenhang zwischen der Meereserwärmung und dem Fischbestand.
Düstere Zukunftsperspektiven für die Schleifischer?
Für die Fischer an Schlei und Ostsee ist das eine weitere Hiobsbotschaft. Dementsprechend sorgenvoll blickt Matthias Nanz in die Zukunft: „Rückgang der Fischbestände durch Überdüngung, gefräßige Kormorane, der Klimawandel und invasive Arten wie Rippenquallen und Schwarzmundgrundeln – wie sollen wir da als selbständige Fischer noch auf einen grünen Zweig kommen?“
Nicht alle seiner Kollegen sehen die Situation so düster wie Matthias Nanz. Jörn Ross zum Beispiel, der Ältermann der Holmer Fischerzunft, räumt zwar ein, dass die Überdüngung ein Problem darstellt. Daran schuld sind nach seiner Einschätzung aber vor allem die Ausscheidungen der vielen Wasservögel an der Schlei. Und natürlich sieht er auch die große Kormoranpopulation und deren Raubzüge vornehmlich unter den jungen Fischbeständen als Bedrohung für die Existenz der letzten Schleifischer. Insgesamt jedoch, so meint er, sei die Lage nicht so trostlos wie oft behauptet.
„Die Schlei ist krank“ (Hamburger Abendblatt)
Dieser leicht optimistischen Einschätzung stehen umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse entgegen. Demnach leidet die Schlei unter einer zu hohen Belastung mit Nitrat, Phosphat und Pestiziden. Schon lange bekannt ist zudem, dass sich auf dem Grund des Meeresarms eine Schicht aus schwarzem Faulschlamm gebildet hat. Diese Ablagerungen wachsen stetig und entziehen dem Gewässer Sauerstoff. Darüber hinaus belasten Altlasten wie die Rückstände einer früheren Teerpappenfabrik in Schleswig die Wasserqualität der Schlei nachhaltig.
„Gesamtbewertung: schlecht“ lautet deshalb das Urteil über die Schlei im aktuellen Bericht des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums. Deutlicher formulierte es das Hamburger Abendblatt am 19. Februar 2020: „Die Schlei ist krank“.
Anscheinend zeigen die neueren Erkenntnisse und Nachrichten über den Zustand der Schlei Wirkung, denn endlich wird seitens Politik und Verwaltung gehandelt. So kündigte der schleswig-holsteinische Umweltminister Jan Philipp Albrecht im Februar 2019 eine Investition von 220.000 Euro an, um in den nächsten drei Jahren die ökologische Situation in der Schleiregion gemeinsam mit den Kreisen Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde zu verbessern. „Ziel ist es, die biologische Vielfalt zu fördern und die Nährstoffeinträge zu verringern.“ Für dieses Projekt soll unter der Dachmarke „Modellregion Schlei“ ein Umweltmanager gewonnen werden, der zwischen Schleischutz und Landwirtschaft vermitteln soll.
Sind das Maßnahmen, die eine Sanierung der Schlei erhoffen lassen? Es gibt Bedenken. „220.000 Euro sind viel zu wenig“, befand zum Beispiel der SSW-Landtagsabgeordnete Flemming Meyer. Und die Hauptfrage aus Sicht der Schleifischer wird lauten: Greift dieses Projekt rechtzeitig, bevor die letzten Fischer ihre Netze für immer eingeholt haben?
Die Aufnahmen entstanden mit einer Fujifilm X-Pro2 und einer Hasselblad L1D-20c (DJI Mavic 2 Pro).